Original

5. Februar 1925

Der Film „Königsmark“, der heute nachmittag und abend zum letzten Mal bei Dornseiffer läuft, ist wert, daß man von ihm auch noch anders spricht, als von einer Möglichkeit, einen Abend in angenehm nervenkitzelnder Aufregung zu verbringen.

Vor diesem weit ausholenden Produkt der Filmkunst, das vom Pariser Künstlerkabaret bis zur Büffeljagd im Urwald reicht, kommt einem der gotteslästerliche Gedanke: Wenn die Politiker sich nicht um die Welt kümmerten, wäre längst wieder Friede.

Denn während sich die Herriot und Luther und tutti quanti in tückischen Reden verhalten anfauchen, haben deutsche und französische Filmregisseure einen unglaublich scheinenden Fall von Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Franzosen unter erschwerenden Umständen siegreich zur Tatsache gemacht.

Pierre Benoît’s „Königsmark“ ist ein vornehiner Schauerroman, der stellenweise in naiver Weise das Lied vom guten, schönen, tugend- und heldenhaften französischen Fridolin und dem brutalen, heimtückischen, dummen und lasterhaften deutschen Dietrich anstimmt.

Trotzdem haben es die Film-Leute fertig gebracht, daß ausgerechnet in Bayern deutsche und französische Kunst und Arbeit harmonisch ineinander griff, daß ein Film französischer Herkunft in den bayrischen Königsschlössern Nymphenburg und Hohenschwangau gedreht wurde, mit deutscher Statisterei und einzelnen deutschen Solisten, mit bayrischen Deandln und Buam, mit bayrischen Schuhplattler-Tänzern und Tänzerinnen und bayrischer Feuerwehr und Kavallerie und sonstiger Soldateska, bayrischen Feuerspritzen, Brandleitern, Fackeln usw. usw.

Sie sehen, dieser Film ist nicht nur als eine kinematographische, sondern als eine weltgeschichtliche Tat zu werten. Er trägt zu der Festigung der Auffassung bei, daß man die Völker - Völker von Volk - nur machen lassen sollte, so würden sie von selbst wieder in den Zustand des Friedens hineingleiten, statt daß heute die Politiker die Rolle der Stechfliegen um das Gespann herum spielen und irritierende Reden halten, bis die Karre wieder verfahren ist.

„Königsmark“ als Film ist auch deshalb ein BildDokument von bleibendem Wert, weil darin ein herrliches Menschenmaterial zur Verwendung kommt. Schauspiele, wie dies, machen für Körperkultur mehr Propaganda, als alle Vorträge und Broschüren zusammen genommen.

Über allen steht natürlich Huguette Duflos in der Rolle der Herzogin Aurora von Lautenburg. (Pierre Benoit nennt seine Heldin Aurora, nach der Gräfin Marie Aurora von Königsmark, der Geliebten des Kurfürsten August II. von Sachsen und Mutter des Marschalls Moritz von Sachsen. Ihr Bruder war jener Philipp Christoph von Königsmark, der wegen einer Liebschaft mit der hannöverschen Kurprinzessin Sophia Dorothea unter geheimnisvollen, nie aufgeklärten Umständen ermordet wurde.)

Huguette Duflos spielte am 13. und 14. März 1920 in unserm Stadttheater die Jacqueline in „L’Amour veille“ von de Flers und Caillavet.

„Sie wirkt als Erscheinung in jeder Sekunde mit einer Bildhaftigkeit, die ganz in lauterer Schönheit aufgeht. Gesicht, Gestalt, Bewegung sind in jedem Augenblick wie das Werk eines frei nach seinem Ideal schaffenden Künstlers. ... Dazu in jedem Akt eine andre Toilette, und jede wie eine Melodie, die extra auf das Gedicht ihres Leibes komponiert ist.“

So hieß es damals von ihrer Erscheinung auf der Bühne. In „Königsmark“ ist das alles zu einem Maximum hinaufgesteigert. Und es wird Millionen von Augenpaaren und von Herzen erfreuen, wenn Huguette Duflos nur noch eine Erinnerung sein wird. Bilder, deren eines schon genügte, einen Maler berühmt zu machen, gleiten zu Dutzenden vorbei.

Und die Berge, die Seen, die Wälder und die Wolken - sie wecken Sehnsucht, aber man hat auch den Trost eines Wiedersehens in Schönheit.

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KatalognummerBW-AK-013-2834