Original

8. Februar 1925

Als ich durch die Dorfstraße ging, sprang aus der erregten Rede einer Gruppe spielender Bübchen ein Wort auf, das plötzlich vor mir stand, wie ein Kamerad aus Kinderjahren.

„Bommlastik,“ hatte der Junge gesagt. Mit dem Ton auf der vorletzten Silbe.

Bommlastik nannten wir den Gummi. Oder das Gummi, wie Sie wollen. Es ist ein Teil seiner Elastizität, daß er oder es uns männlich oder sächlich kommen kann.

Bommlastik war eine der Kostbarkeiten in unserm Dorfbubenleben. Er war ein Stoff voll ungeahnter Gebrauchsmöglichkeiten. Es war anders, als alles andre, was wir kannten und mit dem unsere Hände und unsere Phantasie vertraut waren. Anders als Holz, Eisen, Blei, Stein, Bein, Wachs, Kitt, Lehm. Er war hart wie das eine, weich wie das andere. Es war wie ein Mensch, der Humor hat, der Unvorhergesehenes, lustige Plötzlichkeiten in seine Rede verflicht. Er ließ sich drücken, aber nicht formen, er gab nach, ohne nachzugeben. Es sagte ja, um gleich darauf nein zu sagen. Er war gefügig und trotzig, sanft und rechthaberisch, weich und stark, unglaublich stark. Es versteckte unter den Zeichen der Schwäche eine unheimliche Kraft. Er war, wie ein Akrobat, Schlangenmensch und Athlet inmitten einer Gesellschaft ahnungsloser Bauern, deren Kraft nur ein Register hat.

Wer ein Stück Bommlastik hatte, war uns Kapitalist. Er war vor allen ausgezeichnet. Sowie er in unser Cesichtsfeld trat, wurde uns als Erstes bewußt: Er hat Bommlastik! Das nahmen wir als unabwendbare Tatsache hin. Niemand konnte daran denken, durch Kauf oder Tausch von ihm den Bommlastik zu erwerben. So viel Knöpfe gab es gar nicht. Man mußte warten, bis er des Besitzes müde, bis er blasiert war. Dann erst konnte es geschehen, daß der Schatz seinen Besitzer wechselte. Bis ihn der letzte Eigentümer irgendwo draußen auf dem Bann bei der Kuhhut verlor, oder er ihm gestohlen wurde, um eine Generation später wieder aufzutauchen.

Die beliebteste Form waren die Gummischläuche oder Strippen, mit denen man, indem man sie an die beiden Enden einer Holzgabel befestigte und durch ein Stückchen Leder verband, eine Schleuder herstellen konnte. Der Uneingeweihte hat keine Ahnung von all den Lausbubenstreichen, die sich mit solcher Gummischleuder vollführen lassen.

Der oder das Gummi hat, wie jedes Kind weiß, heute die Welt erobert. Wir könnten ohne Gummi schlechterdings nicht mehr bestehen. Das ist eigentlich nicht zum verwundern. Seit der Zeit, wo die alten Kopten das oder den Gummi als Cama kannten und schätzten, bis in unser zwanzigstes Jahrhundert herüber, hätte eine so wunderbar vielseitige Materie ganz sicher in noch erheblich höherem Maße die Menschheit von sich abhängig machen können. Es kann sein, daß uns dereinst die Steinkohle ausgehen wird, weil sie nicht nachwächst. Gummi aber können wir haben bis zum jüngsten Tag, wenn wir wollen, weil er im Kreislauf des Werdens erzeugt werden kann. Also sollten wir darauf bedacht sein, noch viel mehr Gebrauchsgegenstände aus Gummi herzustellen. Wir verwenden ihn schon in allen Lebenslagen, vom Gummiknüppel des Londoner Polizisten bis zum Saugstück der Milchflasche, aber der Geb auch, der am allernächsten läge, läßt immer noch auf sich warten. Unsere Automobile fahren auf Gummirädern, was wäre natürlicher, als daß wir selbst auf Gummisohlen gingen? Nichts schützt uns so sicher vor der feindlichen Berührung des nassen, kalten, schmutzigen Erdbodens, als Gummi - und wir haben uns immer noch nicht zu einer Selbstverständlichkeit, wie dem allgemeinen Gebrauch von Gummisohlen, entschließen können.

Da liegt ein Ei des Kolumbus: Wer wird es auf die Spitze stellen? ............. ................... ......

P.S. - Ich höre, ich komme zu spät, jemand hat längst englische Schuhsohlen aus purem Gummi angezeigt. Endlich! Es lebe der Bommlastik!

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