Jakob Quäkentin war der schönste Wildenterich im Mamertal und der ganzen Umgegend.
Aus seinen Augen mit der dunkelbernsteingelben Iris leuchteten Mut, Tatkraft und Zärtlichkeit.
Diese letztere besonders wußte Anna Bosca, die Verlobte Jakob Quäkentins, zu schätzen.
Jakobs grüngoldener Kopf schimmerte mit Märchenglanz, wie die Flügel eines den Ägyptern heiligen Käfers. Er trug seine kastanienbraune Hochzeitsweste aus Moiré mit leisem Metallschimmer, sein schmaler Kragen leuchtete blendend weiß. die Spiegel auf seinen grauen Oberflügeln funkelten stahlblau mit weißen Säumen, und als Symbol gleichsam seiner jugendlichen Gestrafftheit krümmten und kringelten sich seine mittleren Oberschwanzdeckfedern unternehmungslustig wie jene Schläfenlocken, die man accroche-cœurs nennt - als könnte er es kaum erwarten, daß er etwas Großes vollbrächte.
Kein Wunder also, daß Fräulein Anna Bosca sich sterblich in ihn verliebt hatte, und daß sie über seinen Tod untröstlich ist.
Denn er ist tot. Er fiel an jenem Sonntag, der in den Annalen der Stockenteriche von Mamertal und Umgegend schwarz angestrichen bleiben wird.
Anna Bosca hat den Hergang am selben Abend bei einer größeren Familienzusammenkunft tränenden Auges und von häufigem Schluchzen unterbrochen selbst erzählt.
„Ihr wißt ja, wir waren noch bei Euch an dem großen Erlenbusch. Da drückte mir Jakob ein Auge zu und ich wußte gleich, daß er mir etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Wir schwammen den Bach hinunter und er zeigte mir in einiger Entfernung die Pappel mit dem. Krähennest, in das ich nach unsrer Hochzeit meine Eier legen und unsre Kinder aufziehen sollte. Jakob war so zärtlich und so besorgt um mich, wie nie. Er zeigte mir die fettesten Würmer, führte mich an Stellen, wo ich reichlich leckere Ellritzchen, Kaulquappen und Lurche fand, und dabei hielt er unablässig Ausschau nach dem bösen Falken, der uns nach dem Leben trachtet. Einmal horchte er auf, drehte den Kopf - ich selbst hatte gemeint, in weiter Ferne einen verdächtigen Knall zu hören -, doch es war regnerisches, stürmisches Wetter, von dem zweibeinigen Getier ohne Flügel, das sie Menschen nennen, hatten wir heute sicher nichts zu befürchten.
Da auf einmal ruft mir Jakob voller Angst zu: „Rätsch!“ Es war das letzte Wort, das ich von ihm hörte. „Räb, räb!“ anwortete ich erschrocken. Und schon schwangen wir uns in die Lüfte, denn wie aus dem Boden gezaubert standen am Bachrand auf einmal zwei jener Menschen und zielten nach uns mit Stöcken, die im Licht grausam blinkten. Einer davon, der Kleine und Magere, hatte Gummistiesel an mit langen Füßen und einen Vollbart, mit dessen Spitze er immer vor sich in die Luft stach, der andere war dicker, er hatte nur unter der Nase einen kleinen, grauen Strich von Haaren. Ich sah aus seinem Stock eine lange, rote Flamme herausfahren, grade auf meinen armen Jakob zu, und im selben Augenblick ließ Jakob einen Flügel hängen, er flog nicht mehr aufwärts, mir voraus, sondern mit dem hängenden rechten Flügel quer hinunter, in die Wiese.
„Jakob Jakob!“ rief ich, „so komm doch!“
Aber er flatterte und hüpfte immer nur in der Wiese herum. Zwischen ihm und den zwei Menschen war der Bach. Aber sie können nicht fliegen, und mir schien auch, daß sie mit ihren Beinen nicht gern ins Wasser tauchten. Ich war bis zu der Pappel geflogen, wo wir gemietet hatten, und beobachtete von da aus, was vorging.
„„Es ist deine Ente,““ sagte der Magere.
„„Gut, ich springe hinüber,““ sagte der Dicke.
„„Es ist deine Ente““ sagte wieder der Magere und strich seinen Spitzbart von unten in die Höhe. Ich merkte wohl, wie er sich darüber freute, daß der Dicke ins Wasser spränge. Ich schöpfte Hoffnung. Vielleicht gelänge es meinem Jakob, seinen Feinden zu entflattern. Doch nein! Es sollte nicht sein. Der Dicke nahm einen Anlauf und setzte richtig über den Bach. Jetzt war es um meinen armen Jakob geschehen. Der dicke Mensch sing ihn am Boden ein, warf ihn über den Bach seinem Spießgesellen zu und sprang ihm nach. Meine Augen füllten sich derart mit Tränen, daß ich weiter nichts mehr sehen konnte.“
„Soweit Fräulein Anna Bosca.
Möge ihr das Folgende zum Trost gereichen.
Jakob Quäkentin hat einen ehrenvollen Tod gefunden. Er konnte von einem Fuchs oder Iltis in obskurer Weise aufgefressen werden. Statt dessen wurden seine sterblichen Überreste mit denen verschiedener seiner Brüder in altem Burgunder zu Salmi veredelt und verschwanden in der Apotheose eines fröhlichen Liebesmahles. Einen schöneren Tod kann sich seine Verlobte auch nicht wünschen.