Original

21. Februar 1925

Ein Bauer ging auf den Markt. Er hatte Geld in seinen Beutel getan und wellte sich ein Pferd kaufen. Einen wackeren, starken Ackergaul.

Aber er fand nicht das Richtige. Schließlich entschied er sich für ein Pferd, das zwischen allerhand abgetriebenen Schindmähren stand und vor solcher Folie keine allzu üble Figur machte.

Cr kauste es und nahm es mit nachhaus.

Dort spannte er es vor den Pflug, vor den Mistkarren, vor den Leiterwagen, Sonn- und Feiertags vor das Wägelchen, mit dem er zur Stadt oder Kirmes fuhr.

Es ging leidlich. Bis der Bauer eines Tages merkte, daß dem Gaul an den Schultern Flügel wuchsen. Wahrscheinlich waren sie damals auf dem Markt so scharf zurückgestutzt gewesen, daß der Bauer sie gar nicht bemerkt hatte. Je länger sie nun wieder wuchsen, desto merkwürdiger benahm sich der Gaul. Er ging vorne hoch, wie ein übermütiger Hengst, schlug mit seinen Flügelstümpfchen, wie ein junger Hahn, wieherte in hohen Tönen, daß es klang fast wie gekräht, schnaubte voller Verachtung in den schönsten Haser, kurzum, benahm sich derart, daß der Bauer sich darauf keinen Vers machen konnte.

Eines Tages, da der Bauer grade Mist karrte, kamen Männer aus der Stadt des Weges daher. Sie trugen flatternde Flügelmäntel, lange Haare und scharfe Brillen. Ihre Gesichter waren blaß und übernächtig.

Als sie dem Bauer und seinem Gespann näher kamen, riß der Vorderste von ihnen entsetzt Mund und Augen auf und rief:

„Was sehe ich! Pegasus im Joch!“

Da fielen die blassen, langhaarigen und kurzsichtigen Männer aus der Stadt unisono über den Bauer her. Wie er Banause, er Depp, er Lümmel sich unterstehen könne, einen Hippogryphen, ein göttliches Tier, das zum Fliegen geschaffen sei, an seinen Mistkarren zu spannen! Er verdiene, daß man ihn der Verachtung des ganzen zivilisierten Erdballs preisgebe. Pfui, pfui, dreimal pfui!

Der Bauer war erst ehrlich erschrocken über seine Gemeinheit. Aber als die Männer, ohne zu Tätlichkeiten überzugehen, mit fliegenden Pelerinen ihren Weg fortsetzten, da stellte sich der Bauer mit beiden Füßen auf sein gutes Recht und brummelte vor sich hin:

„Was wellen denn die verrückten Kerle! Wer ist denn schließlich am ärgsten hereingefallen? Das bin doch ich, nicht wahr! Ich habe für mein gutes Geld einen soliden Ackergaul kaufen wollen und bin an dies querkbpsige Luder geraten, das den ganzen Tag in die Stränge schlägt, statt seinen Wagen zu ziehen. Ihr haltet mich doch nicht für so dumm, daß ich mir absichtlich so ’n hirnverbranntes Fabeltier in den Pserdestall gesetzt hätte! Es ist dumm genug, daß ich meine guten Tausendfrancscheine für so ’n vermaledeites Aas hinausgeworfen habe. Hü, du knickerbeiniger Pergamus, oder wie sie dich sonst genannt haben! Bilde dir nicht ein, daß ich mir deinetwegen die Gelbsucht an den Hals ärgern werde!“

Und so schimpste er weiter und fraß seine Galle in sich hinein, bis er eines schönen Tages die Stalltür aufmachte und an das satale Flügelroß folgende Rede hielt:

„Geliebter Pesagus, oder wie sie dich sonst genannt haben, nimm den Weg unter die Hufe oder die Luft unter die Flügel, wie es dir beliebt, nur mach, daß du mir so schnell wie möglich aus den Augen kommst. Ich will nicht länger als ein Mann gelten, der an dem edelsten Geschöpf Gottes tagtäglich siebenunddreißigmal zum Verbrecher wird. Ich brauche keinen Mesagus, oder wie sie dich sonst genannt haben, der Henker weiß, welcher verdammte Zufall dich damals über meinen Weg geführt hat. Hopplau, raus! Ich brauch’ ein gutes treues Tier, das nicht mit den Flügeln schlägt. Adieu Pegusas, oder wie sie dich sonst genannt haben, auf Nimmerwiedersehen!“

Woraus hervorgeht, daß manche Geschichten nicht weniger wahr sind, wenn man sie anders herum erzählt.

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KatalognummerBW-AK-013-2848