Original

1. März 1925

„Links“ ist ein Wort, dem von jeher die Bedeutung mit etwas Minderwertigem, Gefährlichem, Verntem, Auffässigem anhaftete.

Daher kommt es, daß immer, wo in einer gefährlichen Lage zwischen rechts und links zu wählen ist, der Wagemut sich auf die linke Seite stellt.

Die Linkser haben immer aus der Not eine Tugend und aus ihrem Namen ein Kriegsgeschrei gemacht, wie die Geusen aus dem Bettelsack eine glorreiche Fahne.

Dazu gehört wirklich Mut, wenn man erwägt, daß links gleichbedeutend ist mit dem lateinischen sinister, was soviel heißt wie unheimlich, unheilverkündend. Im Französischen hieß links lange sénestre, bevor sich dafür gauche einbürgerte, das in seiner Ethymologie ein keineswegs günstigeres Pedigree aufweist.

Bei der großen Abrechnung werden die Schafe und Böcke in der Weise geteilt, daß die Schafe zur Rechten, die Böcke zur Linken stehen. Mit dem linken Fuß aufstehen ist von übler Vorbedeutung für den ganzen Tag. Von den Ehen linker Hand wird mit einer gewissen Geringschätzung gesprochen, ob sie auch in ihren Folgen oft sehr viel günstiger ausschlagen, als manche Ehen zur Rechten. Einen links liegen lassen ist kein Zeichen von Freundschaft und Wohlwollen. Kurzum, links gilt im allgemeinen Sprachgebrauch für verdächtig.

Um so stolzer lassen die Linkser ihre Standarten flattern. Hat nicht Körner gesungen: Du Schwert an meiner Linken! Man trägt das Schwert links, um es besser und rascher zur Hand zu haben. Aus derselben Erwägung heraus muß angenommen werden, wenn der Bursch im deutschen Volkslied singt: Mädle ruck ruck ruck an meine grüne Seite - daß er mit der grünen seine linke Seite meint. Von Schengen bis Wasserbillig ist das linke Moselufer luxemburgisch, ein stringenter Beweis für die Superiorität der Linken in bezug auf das Moselufer.

Wenn es allgemein als selbstverständlich gilt, daß wir mit der linken Hand unbeholfener sind, als mit der Rechten, so weiß dafür jeder Sportsmann, daß die Linkser unter Umständen die gefährlichsten Gegner sind. Auf deutschen Studentenmensuren haben die Linksschläger ein fatales Renommee, und auf unsern Kegelabenden wünscht sich immer die Partei Glück, die den Linkser auf ihrer Seite hat. Er ist furchtbar. Wo seine Kugel einschlägt, wächst kein Gras, da kann man gleich, wie über Gräbern, ci-git! hinschreiben.

Was das Marschieren beim Heer für eine Wichtigkeit hat, weiß jeder Stratege. Nun, und wird nicht jeder Marsch mit dem linken Fuß angetreten?

Ich habe mir immer meine Gedanken über das Bibelwort gemacht, daß die Linke nicht wissen soll, was die Rechte tut. Dies soll durchaus keine Anspielung auf etwaige geheime Konventikel der Rechtspartei sein, sondern einen Zweifel an der Aufrichtigkeit der Gesinnung ausdrücken, die die rechte Hand beseelt, wenn sie Almosen gibt. Meint sie es aufrichtig, so ist gar nicht einzusehen, warum die Linke nicht darum wissen soll. Aber die Linke war von jeher die Opposition, und die Opposition ist bekanntlich immer darauf aus, der Rechten aus allem, was sie von ihr erfährt, einen Strick zu drehen.

Man mag von der Linken sagen, was man will, eines kann man ihr nicht nehmen: Sie ist auf der Seite, wo das Herz ist.

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  • cultural pratice: reflection on 'left' side
KatalognummerBW-AK-013-2853