Original

4. März 1925

Es war zur Zeit des offiziellen Narrentums, an einem der Abende, die in ihrer Gesamtheit den luxemburger Karneval bilden.

Eine fröhliche Tafelrunde trieb allerhand Ulk um einen Tisch, auf dem die Humpen von mattweißem Schaum troffen. Denn es war ein Faß Salvator angekommen. Die Eingeweihten sahen das Schild aushängen und sorgken schleunigst dafür, daß ihnen kein anderer ihren Teil wegtränke.

Ein junger Mann, offenbar ein Liebling der Gesellschaft, fühlte bald, daß ihm das Doppelbräu die Zunge gelöst hatte, und er meldete sich zu einem Vortrag. Er wollte die Ehrenrettung eines schnöde Verkannten unternehmen, und seine Rede ist wert, daß sie der Vergessenheit entrissen wird.

Meine Damen und Herren - sagte der junge Mann - es lebe der Knoblauch! - Ich sehe ein leises Erstaunen sich auf Euern Gesichtern malen. Nichtsdestoweniger: Es lebe der Knoblauch!

Meine Damen und Herren, es wird lange nicht genug über den Knoblauch geredet, und wenn über ihn geredet wird, so geschieht es leider nicht in genügender Würdigung seiner vielfachen Verdienste.

Ex oriente lux! Aber nicht nur das Licht kommt uns aus dem Orient, nein, auch der Knoblauch. Schon die Römer kannten ihn und wußten ihn zu schätzen. Wie klangvoll hört sich sein lateinischer Name an! Allium sativum! Wäre das Wort nicht eine Zierde jeder Ode von Horaz, jeder Ekloge von Virgil! Schmilzt es einem nicht gradezu auf der Zunge? (Prost! unterbrach hier der junge Mann seinen Redefluß, leerte seinen Humpen auf einen Zug und hielt ihn mit gestrecktem Arm in die Richtung des Schenktisches.)

Allium sativum heißt der Knoblauch auf Latein. Lesen Sie seinen Stammbaum in der botanischen Literatur nach. Er kommt aus dem Orient, wie alles schwül Geheimnisvolle, stark Gewürzte, wie die Rosen von Jericho und von Schiras, er wird in Süd- und Mitteleuropa kultiviert und liefert die allgemein beliebten Zwiebeln, die aus mehreren Zehen bestehen u. Knoblauchöl, in der Chemie Schweselallyl genannt, enthalten. (Hier trocknete der Redner sich den Schweiß von der Stirn und trank die Blume des frischen Humpens, den der freundliche Wirt vor ihn auf den Tisch gesetzt hatte.)

Was wären wir, geliebte Zuhörer, ohne den Knoblauch! Was wäre ein Endiviensalat, was wäre eine Zoßiß, was wäre ein Biwlamod, was wäre ein Knoblauchswürstchen ohne Knoblauch? Ein Wunsch ohne Gewährung, ein Auge ohne Seele, eine Stimme ohne Klang!

Der Knoblauchduft ist der Demokrat unter den Düften. Er ist stark und würzig, er ist reich und mitteilsam. Wir sollten ihn in Ehren halten und statt dessen sehen wir ihn über die Schulter an und machen uns über ihn lustig. Sogar unser Dicks läßt es in seinen Schriften an der nötigen Hochachtung für den Knoblauch mangeln. Wenn er in seiner „Mumm Se’ß“ vor der Beschwörung die komischen Siebensachen des Hexenthommes aufzählt, fehlt neben dem Bunibei auch nicht die Zehe Knoblauch. Das tut weh, wenn man Verständnis für das Wesen des Knoblauchs hat, und das haben wir doch alle. Prost, geliebte Zuhörer!

Der Knoblauch hätte in unserm Ansehen einen besseren Platz verdient. Wir singen verliebt und sentimental: „Es war zur Zeit der Maienblüte - der Lindenblüte - der Veilchenblüte - der Traubenblüte - der Rosenblüte usw. Warum fingen wir nie: Es war zur Zeit der Knoblauchblüte? Zur Zeit der Knoblauchblüte, die, so viel ich weiß, in den Mai fällt, sind die Menschen grade so verliebt, wie wenn die Veilchen und Linden und Rosen blühen. Und habt Ihr schon eine Knoblauchblüte gesehen? Sie steht als zarte, kugelrunde Dolde auf einem Stengel, der die edeln Linien einer griechischen Tempelsäule aufweist. Rund ist das Sinnbild der Ewigkeit, und wenn jedes Blütchen der Knoblauchdolde gradenwegs auf seinem Stengel in den Raum hinauswüchse, würde die eine Blütenkugel bis an alle Enden der Welt reichen. Und während der Knoblauch so mit seiner Blütenkugel in der Maisonne steht, sammeln seine Zehen im Wachsen aus der Erde den Duft, der später unsere Nasenflügel zittern macht. So stark ist der edle Duft des Knoblauchs, daß er durch Raum und Zeit dringt und schon bei der bloßen Nennung seines Namens allgegenwärtig ist. Es sollte mich wundern, wenn er nicht sogar in der Wütze dieses Humpens Salvator zugegen wäre. Prosit, meine Damen und Herren, es lebe der Knoblauch!“

Am andern Morgen ging der junge Mann an dem Schild „Salvator“ vorbei. Er ballte die Faust dagegen und murmelte eine Verwünschung. Und eine Wolke von Knoblauchduft ging von ihm aus.

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KatalognummerBW-AK-013-2855