Original

6. März 1925

Wir leben im Jahrhundert der Statistik.

Es werden Statistiken aufgestellt über die periodische Wiederkehr der Maikäferfrequenz und über die Häufigkeit der ungiltigen Wahlzettel beim Proporz. Warum nicht auch einmal eine Statistik aufstellen ... Doch greifen wir nicht vor.

Es sind zirka 20 Jahre her, da wurde in unserm Land dem gesamten öffentlichen Leben eine andre Richtung und ein mächtiger Anstoß gegeben durch die Einführung des Fußballspiels. Wer die Vorfußballzeit nicht erlebt hat, macht sich schwer eine Vorstellung von dem, was dazumal die Existenz der männlichen Jugend im Alter von 15-25 Jahren war, auf dem Land sowohl wie in den Städten. Die sogenannten Lümmelsjahre - sit venia verbo - brodelten über vor Kraft und Tatendrang, und es gab dafür kein Sicherheitsventil. Die Sonntag Nachmittage waren der Schrecken der Väter und Söhne.

Da kam als Erlösung das Fußballspiel, und Kraft und Tatendrang hatten ein Ziel, die Sonntage hatten einen Inhalt. Heute ist Fußball in unserm öffentlichen Leben eine Angelegenheit, die unendlich viel wichtiger ist, als der Parlamentarismus, es besteht ein viel glühenderes Interesse dafür, wer auf dem Fußballseld sich die Meisterschaft holt, als wie die nächste Regierung heißen wird.

Es fehlte dem Fußball nicht an Gegnern, die von Verrohung, Gefahr für Leib und Leben der Mitspieler und sogar der Zuschauer sprachen. Viele Väter verboten ihren Söhnen, sich an diesem verpönten Spiel zu beteiligen, und die Mütter zitterten davor, wie vor dem Krieg.

Dagegen machten die Fußballenthustasten geltend, dies sei just ein Bild ungebrochener Kräfte, eingehegt durch die Gesetze strammer Spielregeln. Keine Übung sei so ausnehmend geeignet, den jungen Mann auf den Ernst, die Härten und steilen Engpässe des Lebens zu trainieren, wie Fußball.

Sie behielten Recht. Nichts konnte den Fußball in seinem Siegeslauf aufhalten. Von 100 jungen Luxemburgern männlichen Geschlechts sind wenigstens 75 durch die Fußballschule hindurchgegangen.

Und hier müßte also die Statistik einsetzen. Denn es wäre ungemein interessant, zu erfahren, wie sich die Könige des Terrains im Leben bewährt haben. Denn jeder Beruf hat Platz für die Vorzüge, die das Fußballspiel herausbildet. In jedem Betrieb, ob Hochofen, Geschäft, Fabrik, in jedem Organismus des Erwerbslebens, der Politik usw., vollzieht sich die Teilung der Arbeit im großen Ganzen nach den Regeln des Fußballs. Jeder Goalkeeper, jeder Stürmer findet im Leben Gelegenheit, sich in seiner Spezialität hervorzutun!

Unsre großen Fußballklubs hätten da ein interessantes Arbeitsseld: Ihren Mitgliedern im Leben nachgehen und feststellen, wie sie sich in ihren einzelnen Berufen bewährt haben, was aus ihnen geworden ist, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, daß das Spiel an ihnen im Ernst des Lebens die Nachwirkung geübt hat, die ihm rühmend nachgesagt wird.

TAGS
  • on statistics
KatalognummerBW-AK-013-2857