Hugo von Hofmansthal bespricht im „Tagebuch“ ein Werk von Felix Salten, „Geister der Zeit“. Er sagt dabei einiges Beherzigenswerte über die Journalisten.
„Immer wieder, wie jener Römer, spornt er das ängstlich schnaubende Roß, um in all seinem Schmuck, mit all seinen Waffen in den Abgrund zu springen; und der Abgrund ist immer vor seinen Augen: es ist der Tag, der verschlingt und vergißt. Dem Tage dient der Journalist; vom Tage hat er seinen Namen. Dem Tag vergeudet er die Kraft, das kostbarste Gut: die Besinnung; im Werk, für das er sich hergibt, vergeudet er das Werk, für das er sich zusammenhalten möchte. „„Ein Künstler, der sein Werk täglich erneuern muß, weil jeder Tag dies Werk wieder zerstört; ein Schaffender, der auf das Schaffen verzichtet, um kleine amüsante Ansprachen an eine Zuhörerschaft zu halten, die undankbar ist und sich rasch verläuft, wenn der Redner schweigt.““ Diese Zeilen stehen in dem Buch selbst. In ihrem etwas bitteren Stolz beziehen sie sich sowohl auf den Verstorbenen, über den sie ausgesprochen sind, als auf den Lebenden, der sie geschrieben hat.“
Im Verlauf des letzten Wahlkampfes kam es vor, daß in einem Blatt von den Redaktionsmitgliedern eines gegnerischen Blattes ausgesagt wurde, sie seien „bezahlte Federfuchser“. Es war ein Cliché, das wir lange nicht mehr gehört hatten und das seinerzeit aus der Auffassung hervorgegangen war, die Bismarck von den Journalisten hatte. Geläufiger, als der Federsuchser, war der Tintenkuli.
Heute lächelt man über einen solchen Anwurf, weil man sich zugleich denkt, wer dahinter steht. Es ist der Amateur, der dem Fachmann einen Vorwurf daraus macht, daß er sich für seine Arbeit bezahlen läßt. Bezahlter Federfuchser: Mit dem Federfuchser ist der Mann gemeint, der berufsmäßig von seiner Feder nicht nur leben muß, sondern der auch davon leben kann. Der andere, der ihm einen Vorwurf daraus macht, ist der Amateur, der sich gelegentlich in Journalismus versucht und überzeugt ist, daß an ihm ein Veuillet oder Rochefort verloren ging. Ich kannte einen Mann, der sich im Krieg seine Schuhe selber machte, trotzdem er nie Schuster gelernt hatte. Er war überzeugt, daß seine Schuhe trotzdem die besten und schönsten in der Stadt waren.
Den Dilettanten im Journalismus erkennt man, wenn man einigermaßen Bescheid weiß, am Cliché. Wer tagtäglich Diener am Wort sein muß, hat die größte Scheu vor dem fertigen, ausgeleierten Satz. Schon für sich selber sucht er nach unverbrauchten Wendungen. Der Dilettant hingegen freut sich über jeden fertigen Donnerkeil und schleudert ihn mit Genuß dem Gegner an den Kopf. Dies gilt vorwiegend für solche, die auf einem andern Feld mit Warten fechten, wo man sie ihrerseits bezahlte Wortsuchser nennen könnte. Da leben sie vom Cliché, weil es der Lückenbüßer ist, den sie immer brauchen. „Wo Gedanken fehlen, stellt oft ein Wort zur rechten Zeit sich ein.“ Dem Redner läßt man das durchgehen, aber gedruckt machen sich solche Sätze wie ausgehauchte Meßschweinchen.
Der Journalist - meinetwegen der bezahlte Federsuchser - ließe auch gern seine Ernten ausreifen und seinen Wein alt und edel werden. Aber er muß eben seine Gedanken grün verfüttern und seinen Wein als Heurigen verzapfen. Aber manches Heu taugt schon auf dem Halme nichts und mancher Wein ist schon von der Kelter weg nicht zu genießen.