Original

12. März 1925

Immer hatte die Frau, wenn sie kam, einen Korb am Arm hängen, und immer war der Korb leer.

Ich frug sie einmal, warum sie denn immer einen Korb mitschleppe, wenn er zu nichts diene.

Sie errötete, als ob ich sie gefragt hätte, warum sie denn nicht lieber nackt herumliefe.

„Man kann doch nicht ohne Karb ausgehen!“ sagte sie schließlich. Und ich verstand, daß ich ihr etwas Unbegreifliches zugemutet hatte.

Ich habe mir seither klar zu machen versucht, was der Korb für die Frau bedeutet.

Für die Dame oder die, die es sein wollen, ist der Korb bis zum Gretchentäschchen, zum réticule verkümmert, eingeschrumpft. Das Handtäschchen ist ein Korbblinddakin. Es enthält gar nichts, das heißt eine Puderquaste, ein Kämmchen, ein Spiegelchen, ein Tüchelchen und ein Portemonnaiechen.

Indes der Korb! Der Korb ist sozusagen die Fortsetzung, die Ergänzung der Frau - wie beim Känguruh der Beutel. Der Korb ist für die Frau, was für den Soldaten das Gewehr, für den Reiter das Pferd, für den Esser das Besteck, für den Maler das Skizzenbuch, für den Jäger die Flinte und für den Fischer die Angel.

Der Korb hat unter den Haustieren nur ein Äquivalent: den Hund. An Vielfältigkeit der RasseAbarten kommen sich beide gleich und stehen beide unerreicht da.

Vom Neusundländer bis zum Pintscherchen gibt es so viele Hunde-Arten, wie es von der Waschmane, dem Wäschekorb bis zur bastgeflochtenen Bonbonnière Körbe gibt. Und wie die endlosen Hunde-Spielarten in Gebrauchs- und Luxushunde zerfallen, so gibt es unter den Körben solche für Gebrauchs- und andere für Luxuszwecke. Von dem Korb, durch den bei den Wahlen die Kandidaten fallen, ist es unentschieden, ob er ein Gebrauchs- oder ein Luxuskorb ist. Er ist von allen Körben der einzige, der politischen Charakter hat.

Der Korb gehört seinem Wesen nach zu den weiblichen Geschlechtsmerkmalen. Ein Mann mit einem Korb mutet immer ein wenig hermaphroditisch an, eine Frau ohne Korb erscheint unvollendet, lückenhaft. Wenn schon ein Mann mit Kind auf dem Arm aussieht, wie eine schlechte Parodie auf die Muttergottes, so schändet er gradezu sein Geschlecht, wenn er sich einen Korb an den Arm hängt. Höchstens bei der Kartossel- oder Obsternte ist vorübergehend der Anblick eines Mannes mit einem schwergefüllten Korb erträglich. Sonst wirkt an ihm der Korb wie ein Kasewaik oder ein Paar Ohrringe. Nur ältere, schon geschwächte Individuen oder notorische Frauenknechte lassen sich einen Korb aufoktroyieren, ein strammer Bursch trägt lieber einen Doppelzentner im Sack auf der Schulter, als ein Pfund Butter im Korb am Arm.

Der Abscheu vor dem Korb sitzt schon dem AbcSchüler im Blut. Er packt seine Bücher in eine Holzkiste, die er merkwürdigerweise Schulsack nennt, während die Mädchen als Schulmappe einen richtigen kleinen Marktkorb benützen und sich schon zu kleinen Hausmütterchen erziehen.

Der Prototyp des Korbes ist ja auch der mütterliche Marktkorb, der Korb, mit dem die Mutter auf den Markt geht, um die Fülle der Dinge heimzubringen, von denen ein Mann keine Ahnung hat: Düten und Päckchen, Hausrat, Putz, Proviant, Notwendiges, Nützliches, Angenehmes - und dann die Mitbringsel für die Kinder! Sie wäre keine Mutter, wenn sie nicht jedesmal für zwei bis fünf Sous Freude für ihre Kleinen im Marktkorb nachhaus brächte.

Der Marktkorb redet Bände über die Sparkünste der guten Hausfrau. Es gibt Hausfrauen, die sparen, und es gibt andere, die auch sparen. Aber anders. Die richtig sparen, sind nicht die, die überhaupt wenig Geld ausgeben. Sondern es sind die, die wenig Geld ausgeben und dafür viel nachhause zu bringen wissen. Das sind die, die ihr Haus hochbringen. Und wenn sie sich zur Ruhe setzen, sollten sie ihren Marktkorb korbeerbetränzt an einem Ehrenplatz in ihrer besten Stube aufhängen.

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KatalognummerBW-AK-013-2862