Am 19. Februar war hier der Brief eines jungen Mädchens vom Land abgedruckt, das auf französisch bei einer Dame in Luxemburg für sich und seinen Burschen eine Stelle suchte in der offenbaren Meinung, sie verdinge sich damit nach Brüssel.
Daran war die Bemerkung geknüpft, daß in den Landschulen auf das Französische und die Geographie mehr Gewicht zu legen wäre, und daß speziell mir dem Französischen in der Normalschule der Anfang gemacht werden müßte.
Die Nedaktion der Luxemburger Lehrerzeitung ist darob verschnupst und bezweifelt die Echtheit des Briefes. Zugleich veröffentlicht sie vier französische Briefe von stellesuchenden Mädchen aus Esch, die (die Briefe) ihr von einer dortigen Lehrerin eingesandt wurden.
Mein Brief war selbstverständlich echt. Einen apokryphen Brief dieser Art hätte ich nie als Beweis dafür ausgegeben, daß auf dem Land der französische Unterricht im Argen liegt. Wenn die Redaktion der Lehrerzeitung den leisesten Wunsch darnach äußert, so nenne ich ihr unter vier Augen die Stelle, die mir den Brief zur Benutzung eingeschickt hatte.
Daß die Briefe der vier Escher Mädchen echt sind, daran ist kein Zweifel. Sonst hätten die auswärtigen Damen, an die sie gerichtet waren, sie nicht der Fräulein Lehrerin in Esch zur Versügung gestellt, um sie gegen die Zeitung ins Gefecht zu führen.
Im übrigen haben wir hier einen der Fälle, in dem alle zwei recht haben und der Herr Richter obendrein. Es gibt Landschulen, in denen der französische Unterricht auf einem hohen Niveau steht, und es gibt andere, in denen die Kinder zwei Jahre, nachdem sie aus der Schule sind, grade noch wissen, daß la chaise der Stuhl heißt.
Es stand am 19. Februar hier nicht zum ersten Mal, daß der Anfang in der Normalschule gemacht werden müßte. In früheren Jahren und schon lange vor dem Krieg hat derselbe, der diese Zeilen schreibt, in der Zeitung dafür Lanze auf Lanze gebrochen, daß als Lehrer des Französischen an der Normalschule ein Franzose angestellt würde, womöglich einer, der kein Wort deutsch verstünde. Die Tatsache, daß die Lehrerinnen in einer Schule herangebildet werden, die in engster Beziehung zu Nancy steht, hat sich - früher wenigstens - immer darin geltend gemacht, daß in der Mädchennormalschule das Französische nie der Wauwau war, als der es in den Erinnerungen der meisten Lehrer sortlebt. Und viele Schulschwestern haben dank dem Mutterhaus in Nancy ein fließendes Französisch sich aneignen können. Jeder Pädagoge und in erster Linie der pädagogische Redakteur der Lehrerzeitung weiß, daß die - sagen wir einmal Ansteckungskraft eines Akzents um so stärker ist, je mehr sich dieser Akzent von dem der Sprache des Schülers unterscheidet. Ein Schreinergeselle, der von hier nach Paris geht, eignet sich am schnellsten und liebsten diejenigen Einzelheiten der Aussprache an, die seinem heimischen Idiom am fernsten liegen. Was im Munde eines luxemburger Landsmannes als Zungenverrenkung sich ausnimmt, wird Musik im Mund eines Franzosen und lockt zur Nachahmung. Und nichts verlockt hinwiederum zum Studium einer Sprache, wie die Lust daran, ihre Laute auf die Zunge zu nehmen.
Ich bitte den Herrn oder die Herren und Damen aus der Lehrerzeitung, mir zu glauben, wenn ich ihnen versichere, daß es mir fern lag, den vaterländischen Schulunterricht als minderwertig zu brandmarken. Im Gegenteil, er ist in stetigem Aufstieg. Das darf nicht hindern, den Wunsch wieder einmal auszusprechen, daß der Lehrerschaft ihre Aufgabe in einem wichtigen Punkt wesentlich erleichtert werde.