Original

27. März 1925

Zwei Typen sind repräsentativ für das Fahrige unserer Zeit. für die Sucht, den Massen das Geldausgeben bequem und das Wissen um die Welt leicht zu machen: Kaufhaus und Kino.

An sich sind sie primäre Erscheinung, ein Originales, das Geltung hat, wie alles Ursprüngliche.

Die Übertragung ihres Wesens auf andere Strebungen hat die Minderwertigkeit alles Aufgewärmten. Man merkt die Absicht und man wird verstimmt. Freilich, aber nur wenn man die Absicht merkt. Viele merken sie nicht und ergeben sich dem Zauber des Neuen, das ja nur neu ist, wenn es das Allerneueste ist. Unsere Zeit will geraucht sein, wie die Havannazigarren, récolte de l’année, mit noch halb grünen Deckblättern und inwendig so feucht, daß der Glimmstengel vorne sich zum Teelöffel auskohlt. Die alten, abgelagerten, schneeweiß brennenden, schokoladebraunen aristokratisch duftenden Importen hatten auch ihre Vorzüge.

Die Kino- und Warenhausmeihoden finden Sie auf literarisch-kommerziellem Gebiet in idealer Zusammenwirkung zum Beispiel in dem neuen Ullstein-Magazin, das „Uhu“ heißt und nach amerikanischen Vorbildern arbeitet. Es führt alles, genau wie ein Warenhaus, und es bringt seinen Stoff dem Leser abgehackt, tee löffelweise bei, wie ein Film, der ein Meter aus dieser ein Meter aus jener, ein Meter aus einer dritten Situation über die Netzhäute seiner Zuschauer flimmern läßt und damit mühevoll eine Unseßhaftigkeit des Geistes erzeugt, die nur in der befleckten Phantasie der Kino-Regisseure mit Spannung gleichbedeutend ist.

Der moderne Mensch - d. i. der Großstadtmensch, den das Leben fortwährend in Stücke hackt, muß heute - nicht alles, aber über alles wissen. Er muß um die Dinge wissen, und je mehr er um die Dinge weiß, desto weniger hält er sich für verpflichtet, in sie hinein zu wissen. „Der Uhu“ orientiert seine Leser über alles. Das ist das Warenhaus.

Die Kinomethode besteht darin. daß kein Aufsatz, keine Erzählung wie in der guten alten Zeit in einem Zug hingedruckt wird. Sie wird in Scheibchen geschnitten, wie Leberwurst und durch das Heft verteilt. Steht der Anfang auf Seite 8, so verweist unten ein „Fortsetzung folgt“ auf die Seite 37, und so wird der Leser von einer Türe zur andern, möchte ich sagen, durch den ganzen Bau gewiesen.

Das hat natürlich seinen tieferen Sinn. Du sollst nicht einen Aufsatz mit Aufmerksamkeit kesen und dann das Heft beiseite legen, bis Du wieder Zeit hast, sondern Du sollst, auch wenn Du nur für eine kleine Novelle Interesse hast, das ganze Heft durchblättern müssen und die Anzeigen sehen, die darin auf allen Seiten sich breit machen. Die Anzeigen sind nicht mehr im Ghetto des Annoncenteils zusammengepfercht, sie dürfen mundfix und farbenlaut durch alle Gassen laufen und das Publikum anreißen.

Die Vielfältigkeit des Stoffes erlaubt jedem Ladenschwengel, über alles seine Meinung zu haben. Er sagt Dir auf den Kopf zu, ob Du Deiner Körperbeschaffenheit nach ein Ernährungstyp, ein Bewegungstyp, ein Empsindungstyp bist, die Arbeitsgewohnheiten der berühmtesten Schriftsteller haben für ihn kein Geheimnis. Clara Viebig! Kenne ich wie meine Tasche. Der ihre Augen müßten Sie sehen, und ihren Mund! Die reine Güte und Klugheit. Haben Sie ’ne Ahnung, wie die an ihren Manuskripten herumverbessert und streicht und dazwischen schreibt! Der Schrecken der Setzer! Und Otto Flake. Patentkerl! Kann nur des Nachts schreiben, dann aber nicht zu knapp! Sieben, acht Stunden im Stichdunkeln. Manuskript sieht natürlich demnach aus. Und Georg Kaiser! Verrücktes Huhn! Und Jakob Schaffner. Sie wissen doch, der war Schuster! Ehrenwort! Sollte man nicht sagen, wenn man seinen „Tunnel“ liest. - Pardon, der „Tunnel“ ist doch wohl von Kellermann?

Mag sein, er hat so viel geschrieben!

Wie gesagt, die alten, abgelagerten Partagas hatten auch ihr Gutes.

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