Original

29. März 1925

Auf vielseitigen Wunsch geplagter, Hausfrauen sei hiermit die Mädchenfrage angeschnitten.

Denn in Luxemburg und auch wohl anderswo im Land bestht eine Mädchenfrage, die man schon ruhig Mädchenkalamität nennen kann.

Die männliche Wirtschaft, soweit sie auf bezahlte Arbeitskräfte angewiesen ist, hat wieder zu einer geregelten Produktion zurückgefunden.

Wo die Frauenwelt auf sich allein und die Hilfe ihres Geschlechts gestellt ist, d. i. eben in der Dienstbotenfrage, droht heilloses Drunter und Drüber.

Dem überzeugungstreuen Proletarier ist das grade recht. „Das reiche Pack soll einmal selbst anfassen und sehen, wie die Arbeit schmeckt!“

Aber um „das reiche Pack“ handelt es sich gar nicht, sondern um die bedauernswerten Frauen des Mittelstandes, die sehr oft einem schweren Haushalt nicht gewachsen sind und ohne weibliche Hilfskraft nicht auskommen. Abgesehen von den Fällen, wo die verheiratete Frau einen eigenen Beruf und Gelderwerb hat und sich um den Haushalt nur nebenbei kümmern kann.

Also: Dienstmädchen müssen sein, nicht als Luxusgegenstand, sondern als bittre Notwendigkeit.

Und worüber verfügen die meisten luxemburger Hausfrauen heute als Dienstmädchen?

Ich kann mir die Schilderung des Menschenmaterials erlassen, mit dem heute der Stellennachweis arbeitet. Man weiß im Publikum Bescheid.

In den ersten Jahren nach dem Krieg kamen deutsche Mädchen herüber, die in den Familien, wo sie in Stellung waren, noch heute als Perlen im besten Andenken behalten werden. Das brave luxemburger Mädchen von früher, das Jahre lang auf seiner Stelle blieb, meistens bis ein wackrer Bursch es als Ehefrau heimführte, lebt nur noch in vereinzelten Exemplaren fort. Der Rest ist Grausen.

In der Regel sollte eine Volksgemeinschaft aus sich heraus den Bedarf nach häuslichen Arbeitskräften decken. Dem ist nicht so. Es findet eine mysteriöse Schiebung zu unsern Nachteil statt. Die brauchbaren deutschen Mädchen finden heute in ihrem Land guten Verdienst, Französinnen und Belgierinnen kommen auch keine herüber, aber unsere luxemburger Mädchen haben den Zug nach Frankreich und Belgien, nach Paris und Brüssel - des hohen Lohnes wegen, und weil sie ein Stück Welt sehen und französisch lernen wollen. Von der Welt sehen sie freilich allerhand, was sie sich anders vorgestellt hatten, und auf französisch lernen sie auch dies und jenes, was auf luxemburgisch ganz genau grade so gewesen wäre.

Unter den vielen, die so über Petingen und Kleinbettingen ihrem Schicksal entgegenfahren, gibt es ganz sicher manche, die grade so gern zuhaus geblieben wären, wenn es nicht bestimmte Stellen hier im Land gäbe, die alle weiblichen Bediensteten und solche, die es werden wollen, methodisch nach Frankreich oder Belgien, hauptsächlich nach Paris, dränieren. Diese Stellen wirken hier, wie Luftpumpen, sie schaffen einen Zustand, der in bezug auf weibliche Arbeitskräfte für Haus und Familie dem Vacuum gleichkommt.

Es lebe die Freizügigkeit! Jede, die hinaus will, soll hinaus dürfen. Aber denen, die den Export im Großen betreiben, als lukratives Geschäft und zum Nachteil des Landes, oft zum Verderben ihrer Kundinnen, denen sollte man auf die Spur kommen und auf die Finger sehen. Es ist in der Kammer schon wegen harmloserer. Mißstände interpelliert worden.

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