Original

4. April 1925

Es freute mich ungemein, am 1. April in dieser Zeitung einem lieben alten luxemburger Bekannten zu begegnen. Es war der Predigtstuhl. Er ist einer der ältesten Luxemburger, als Wort und als Sache. Als Sache steht er unter dem Konstitutionsplatz im Petrußtal, einer der wenigen Überreste der alten Festung. Ob man von ihm aus wirklich den schiefen Turm der Sparkasse sehen kann, davon werde ich mich später überzeugen, wenn ich nicht mehr in den Verdacht kommen kann, auf einen Aprilscherz hineinzufallen.

Als Wort ist der Predigtstuhl Luxemburger durch und durch, grade wie sein Nachbar, der Ducksall. Kanzel klingt mondialer, aber bei Predigtstuhl kann man sich entschieden mehr denken.

Nur wie der Stuhl da hineinkommt, ist mir ein Rätsel. Mit dem Wort Stuhl verbindet jedermann unweigerlich den Begriff des Sitzens. Der Predigtstuhl ist der einzige Stuhl, der nicht zum Sitzen, sondern zum Stehen da ist. Oder können Sie sich den Herrn Pfarrer denken, wie er es sich Sonntags da droben auf einem Stuhl bequem machen wollte um seinen geliebten Christen die Predigt um die Ohren zu schlagen?

Ist Ihnen nie aufgefallen, wie in der Kirche so manche Gegenstände mit völlig unzutreffenden Namen bezeichnet werden? Der Beichtstuhl geht ja noch an, obgleich da der kleinste Teil fürs Ganze steht. Aber die Kommunionbank? Was hat sie von einer Bank? Weder kann man sich darauf setzen noch Geld darauf wechseln. Sie ist eine Treppe, eine Schwelle, ein Geländer, alles, was Sie wollen, nur keine Bank Aber es sei zugegeben, daß es schwer halten würde, statt des heute geläusigen Ausdrucks etwa Kommunionschwelle oder Kommuniongeländer einzubürgern. Und das Rauchfaß! Wie kommt dieser Pokal, diese Art Ampel zu dem Namen Faß! Was hat das Rauchfaß in seiner Gestalt, seiner Verwendung, seiner sinnbildlichen Bedeutung mit dem Behälter gemein, der seine berühmteste Verkörperung im Schloßkeller zu Heidelberg gefunden hat?

Da wir vorhin von allerhand Stühlen sprachen, die sich zu Unrecht in unserm Sprachgut breit machen, so möchte ich unsern Sprachforschern einen weiteren Fall dieser Art unterbreiten und ihren Spürsinn auf eine Fährte setzen, die bis jetzt anscheinend noch von niemand verfolgt wurde.

In meiner Heimat trägt das Versteckspiel, das sie hier in der Hauptstadt „Stoppes“ nennen, den seltsamen Namen „Klambuedsto’l“.

Ein Kind legt den Kopf an die Mauer und verdeckt sich die Augen, während die andern sich verstecken. Sobald „es ist“, begibt sich das erste auf die Suche, und sowie es einen der Mitspielenden in seinem Schlupswinkel eräugt und ihm zugerufen hat, daß er entdeckt ist, beginnt zwischen ihm und dem andern ein Wettlauf nach der Stelle, die als Zielband vorher bezeichnet ist. Wer zuerst mit dem Schrei „Klambuedsto’l“ die Hand an die Mauer legt, hat gewonnen.

„Klambuedsto’l.“ - In welche geheimnisvollen Tiefen reicht das Wort hinein? Ist es organisch aus dem heimischen Sprachboden gewachsen oder verdankt es einem Zufall sein Entstehen? In welchem Umkreis wird es gebraucht? Nach der Schliep’schen Methode ließe sich „Klambuedsto’l“ zerlegen in das lateinische clam, das für das Versteck stünde, die Silbe buet als Verkürzung des niederländischen bueter, das wir als Kinder gebrauchten, um festzustellen, daß der „Weck“ beim Spielen versteckt liegen bleiben durfte. (In bueter liegt achter. Das Gegenteil hieß mex mit spitzem e.) Für den Stuhl am Schluß hätte Herr Schliep einen Ursprung im Sanskrit gefunden.

Mitten auf der Gewann liegt ein Block aus Granit, wie er nur in den Vogesen vorkommt, hundert Stunden von dem Ort, wo er seinen grauen Rücken aus der Ackererde emporwölbt. Wie kommt er dahin? Sie hatten einmal versucht, ein Sprengloch hineinzubohren, waren aber kaum zolltief vorgedrungen.

Der „Klambuedsto’l ist der linguistische Granitblock, dem noch keiner beikommen konnte.

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