Original

12. April 1925

Sie kennen das geflügelte Wort des alten Tünchermeisters, der nur tünchen konnte und mit souveräner Verachtung auf die windigen Künste der Dekorationsmaler hinabblickte.

„’t aß neischt iwer uni!“ sagte er und tünchte drauf los, weiß-bläulich, weiß-geblich, weiß-grünlich, aber in der Hauptsache nur weiß.

Ähnlich stehen die Hühner der Frage gegenüber, ob sie einheitlich weiße oder gefärbte Eier legen sollen. Sie stellen sich auf den Standpunkt der Oberbehörde, die bekanntlich allein das Recht hat, weiße Plakate aufzuhängen, und so legen die Hühner nur weiße Eier und geben dies als ein verbrieftes Standesrecht aus. Getüpfelte, gesprenkelte, farbige Eier, wie sie bei ihrem Mitgeflügel vorkommen, werden von ihnen hochmütig benaserümpft und beachselzuckt.

Es kommt aber eine Zeit im Jahr, wo der Menschheit die weißen Hühnereier nicht mehr schön und freudig genug sind. Grade, wie sie sich selbst einige Wochen vorher in die Buntheit der Karnevalsgewänder gekleidet hatten, malen sie jetzt zu Ostern die Eier in den unglaublichsten Farben an. Ich bin überzeugt, der bunteste Strupphahn würde sich schämen, wenn man ihm sagte, die Hennen seines Stammes hätten sich im Eierlegen zu solchen Extravaganzen verstiegen. Für uns aber hätte er nur milde Verachtung, wenn er erführe, daß diese Farbenpracht mit Papierblättern erzeugt ist, die mit allerhand Chemikalien bestrichen sind.

Das Ostereierfärben ist eine der häuslichen Freuden im Jahr, aber es nimmt Zeit weg, und darum haben sie in Amerika längst nach einem Mittel gesucht, farbige Eier ohne solchen Zeitverlust zu erzeugen.

Am nächsten lag es da. daß die Hühner dazu gebracht wurden, die Ostereier gleich in der gewünschten Farbe und Zeichnung zu legen. Auf dieser Fährte ist es einem luxemburger Farmer in der Nähe von Sioux Falls gelungen, das Problem zu lösen. Er verfuhr streng naturwissenschaftlich. Ausgehend von der Tatsache, daß die Hühner den Rohstoff zur Bildung der Eierschalen in Gestalt von Sand, Kies und ähnlichen Mineralien mit der Nahrung in sich auf- nehmen, verfiel er auf die Idee, seinen Hühnern einen Sand zur Verfügung zu stellen, der vorher in geeigneter Weise chemisch behandelt war. Seine Versuche, die mehrere Jahre hindurch fortgesetzt wurden, haben jetzt zu den überraschendsten Erfolgen geführt, und ich freue mich, Herrn John B. Merkels von der Luxemburger Zeitung in Chicago diese Ergebnisse, von denen er sicher noch nichts gehört hat, hiermit mitzuteilen.

Bewußter Farmer, namens Nick Fabrizius, bringt, wie er mir brieflich mitteilt, für heurige Ostern eine Auswahl Eier auf den Markt, die nach oben angedeutetem Verfahren im Huhn selbst gefärbt sind. Das Geheimnis liegt nicht in der Wahl der Chemikalien, die dem Sand beigemischt werden, sondern in dem Mittel, sie für das Huhn aufnahmefähig und zugleich unschädlich zu machen und sie außerdem auf die Temperatur des Hühnermagens einzustellen.

Nick Fabrizius hat mir ein halbes Dutzend Proben mitgeschickt. Da ist zum Beispiel ein Ei, das bunt gebändert ist, wie geschliffener Achat, ein anderes ist gelb und rot geflammt - diese Färbung und Zeichnung ist mit gelöstem Jaspis erreicht. Mit oxalsaurem Eisenoxydul hat Nick Fabrizius leuchtend rote, direkt geraniumrote Eier erzeugt, basig essigsaures Kupfer mit Trebern gibt strahlend blaue, mit in Essig getränkten Flanell-Lappen leuchtend grüne Eier, Kryolith mit Tonerdehydrat ist in der Farbwirkung vorher nicht zu berechnen und bringt die wunderbarsten Überraschungen.

Natürlich läßt Nick Fabrizius von Ostern ab seine Hühner wieder weiße Eier legen. Die größte Mühe hatte er im Anfang mit den Hühnern selbst, die zu streiken drohten, weil sie über die farbigen Eier erschraken und nicht weiterlegen wollten. Er mußte von einem Okulisten eigens Brillen konstruieren lassen, die die Farbe der Eier neutralisieren und in weiß auflösen, und die er seinen Hühnern während der ganzen österlichen Zeit aufsetzt.

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