Original

29. April 1925

Peter Schlemihlowitsch (witsch ist russisch = Sohn) fand eines Tages, daß es nett wäre, wenn er ein eigenes Haus besäße.

Lange schwankte er zwischen einem einfachen Häuschen irgendwo am Waldesrand, nahe am rauschenden Fluß, und einer pompösen, schloßähnlichen Villa mit allem modernen Komfort, in der Nähe des Stadtparks.

Als Besitzer des Häuschens am Wald würde er nur mit den Bauern aus dem nahen Dorf verkehren, sich abends zu ihnen ins Wirtshaus setzen und mit ihnen diskutieren und Karten spielen. Entschied er sich für die vornehme Villa, so würde er Feste geben und seine Fremdenzimmer wären das ganze Jahr hindurch belegt.

Endlich fand er eine Lösung auf dem goldnen Mittelweg. Irgendwo im Land war ein Landschloß feil geworden, das lag wirklich oben am Rand eines herrlichen alten Buchenwaldes, und unten im Tal zog der Fluß durch die Wiesen.

Peter Schlemihlowitsch war entschlossen, diese Idealbehausung zu erwerben.

Um die Mittel war er nicht verlegen.

Die einfachste Art, das nötige Geld zu einem Hauskauf zu haben, ist immer noch, es zu haben.

Hat man es nicht, so muß man es sich eben verschaffen, und da gehen dann die Wege auseinander.

Sie kennen das schöne alte Wort: „Wer nichts erheiratet und nichts ererbt, der bleibt ein armes Luder bis er sterbt.“

Peter Schlemihl war ein eingefleischter Junggeselle. Reich werden durch Heirat war also ausgeschlossen. Was das Ererben betrifft, so brauche ich bei einem Angehörigen der Familie Schlemihl nicht zu bemerken, daß er auf irgendeine Hinterlassenschaft, außer Unterbilanz und Schulden, keine Aussicht hatte.

Er mußte also in der Lotterie gewinnen, und er wählte kurzerhand diese Art der Aufnahme in die Klasse der Kapitalisten.

Er bemaß die Summe, die er zum Ankauf des Schlosses und zur standesgemäßen Lebenshaltung brauchen würde, auf zirka zwei Millionen Franken. Da er indes an allzu einfachen Lösungen keinen Spaß hatte, entschied er sich für Goldmark. Die Goldmark hatte etwas Geheimnisvolles an sich, etwas Unberechenbares, Verwunscheneprinzeßhaftes. Also dachte Peter Schlemihlowitsch sich eine Lotterie aus, in der das große Los 500 000 Goldmark betrug. Nach Abzug der Steuern usw., kalkulierte er, würden ihm rund zwei Millionen Francs bleiben.

Das große Los so einfach gewinnen und einstreichen, wäre wiederum zu wenig interessant gewesen.

Peter Schlemihlowitsch lebte also in den Tag hinein und vergaß, daß er ein Lotterielos besaß. Da er aus Prinzip keine Zeitungen las, um sich die jeden Tag im Weltgeschehen möglichen Überraschungen nicht zu verderben, so wußte er nicht, daß die Presse längst seine Nummer als Gewinnlos der 500 000 Mark ausposaunt hatte. Bis er eines Tages in Bad Mondorf infolge der Sparsamkeit der Verwaltung an einem stillen Örtchen auf einem viereckigen Stück einer alten „Kölnischen Zeitung“ las, daß sein Gewinn an einem bestimmten Datum verfallen würde, wenn er bis dahin nicht abgehoben wäre.

Er hatte grade noch achtundvierzig Stunden Zeit. Mit dem Zug nach Köln fahren, wäre wiederum zu philiströs gewesen. Also mietete er bei Jean Mayer das schnellste Automobil mit dem besten Chauffeut und fuhr gen Köln, wo die Auszahlung stattfinden sollte.

Die Panne, die im Programm stand, erfolgte an einer Straßenecke in Koblenz und wurde nur dank der Geschicktheit des Chauffeurs behoben, der dann in Köln eine knappe Stunde vor Schalterschluß vor der Bank hielt. Aber auch dann war Peter Schlemihlowitsch noch nicht am Ende seiner Schwulitäten. Er mußte erst den luxemburgischen Konsul Herrn Boucon auftreiben, um von diesem seine Identität bescheinigen zu lassen, und nach Erfüllung einiger weiteren Formalitäten erfolgte glatt die Auszahlung des Gewinnes von 500 000 Goldmark in Höhe von 135 000 G. M. nach Abzug sämtlicher Steuern, Gebühren, Abgaben u. s. w.

Statt der zwei Millionen Francs, auf die er gerechnet hatte, besaß Peter Schlemihlowitsch nunmehr knapp 650 000 Franken. Damit konnte er weder das Schloß kaufen, noch sorgenlos darauf leben.

Zu seiner großen Enttäuschung mußte er die ganze Operation von vorne beginnen und seine Berechnungen auf eine vollständig andere Grundlage stellen.

Diesmal ging er von einem Gewinn von rund einer Million Dollar aus. Er schlug dabei noch eine Amerikareise von drei Monaten heraus und erlebte die aufregendsten Abenteuer. Er ist entschlossen, nie wieder in eine deutsche Lotterie zu setzen.

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