Echternach hat zwei Wappentiere. Beide schweben gerne auf Flügeln des Gesanges über den Häuptern alkoholbefeuerter Tafelrunden, aber sie sind grundverschieden in bezug auf körperliche Ausmaße und gesellschaftliche Einordnung.
Das eine, größere dieser Wappentiere läßt sich gesellschaftlich überhaupt nicht einordnen. Auf Grund eines lächerlichen Vorurteils ist sein Name unter wohlerzogenen Menschen verpönt, niemand will ihn in den Mund nehmen. In den Mund der Leute kommt dies Wappentier erst nach seinem in der Regel gewaltsamen Tode. Zeitlebens bildet es den Gegenstand einer Frage, die den landläufigen Text des Springprozessionsmarsches einleitet, und es wird in einem Garten inmitten einer umstürzlerischen Tätigkeit dargestellt.
Das andere Wappentier Echternachs, von dem speziell heute die Rede sein soll, ist die sogenannte Heimelmaus, die ein es faustdick hinter den Ohren habender alter Echternacher zur Heldin der dortigen Lokalmarseillaise gemacht hat. Hoffentlich findet sich eines Tages der geeignete Mann, der uns die Naturgeschichte der Heimelmaus schreibt. Der erste Beste darf es nicht sein, denn Abgründe psychologischer Eigenart sind zu erforschen, der Geist dessen, der dies Werk uns schenken will, muß wie eine Antenne in die Zeit ragen und die fernsten und feinsten Schwingungen auffangen.
Für heute möchte ich lediglich auf eine Gefahr auf- merksam machen, die meines unmaßgeblichen Erachtens der Heimelmaus droht.
Ich hatte dieser Tage Gelegenheit festzustellen, daß auch an der Heimelmaus der Geist der Zeit nicht spurlos vorübergegangen ist. Die Heimelmaus zeigt eine verdächtige Tendenz, über sich hinauszuwachsen.
Früher ging sie ruhig und schlicht - so ganz promenadisch - in den Tongeleisen des alten Liedes: Schier dreißig Jahre bist du alt! Und was glauben Sie, daß dieser Tage meine verblüfften Ohren vernommen haben! Ein Mann, ein Echternacher, einer, der sicher mit der Heimelmaus aufgewachsen ist, stellt sich ans Klavier und stimmt das Lied an. Und was höre ich! Plötzlich, nach den ersten paar Takten, schwingt er sich hinauf in die Terz und singt die ganze Heimelmaus in der oberen Terz herunter. Ich bin starr, aus allen Himmeln geworfen! Aus der braven alten Heimelmaus ist plötzlich ein Wesen geworden, das einen mit verstellten Zügen angrinst. Es ist, wie wenn eine alte Pfarrersköchin sich einen Bubikopf hätte schneiden lassen und kniefreie Röckchen anzöge und durch die Straßen radelte. Und dabei machte sie sentimental verliebte Augen und sänge die Heimelmaus in der oberen Terz.
Greift dieser Mißbrauch um sich, so wird er nicht ohne verderbliche Wirkung auf den Charakter der Echternacher Stadtbevölkerung bleiben. Er wird der Unzufriedenheit, der revolutionären Gesinnung, der Modetorheit, dem Leichtsinn in jeder Gestalt Vorschub leisten. Und darum rufe ich schon heute, ehe es zu spät ist, den Echternacher Stadtvätern die klassische Warnung zu: Caveant Consules! Ihr wißt, was Ihr an der Heimelmaus habt, Ihr wißt nicht, was Ihr an ihr haben werdet, wenn sie sich dauernd in die Terz hinauf emanzipiert.