Original

3. Mai 1925

„Der Bubikopf!“ sagte sie, und Kampflust phosphoreszierte in ihren Augen. „Der Bubikopf ist der Beaumarchais, der Sturmvogel der Frauenweltrevolution. Wir sind es müde. das Symbol der Unterwürfigkeit als angebliche Zierde auf dem Kopf zu tragen!“

„Der Unterwürfigkeit?“

„Jawohl! Seit ich einmal gelesen habe, daß ein Mann seine Frau an den Haaren durchs Haus schleppte, kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß wir Euch an unserm langen Haar wie an einem Strick ausgeliefert sind.“

„Dann laßt Euch doch gleich die Haare so kurz schneiden, wie wir.“

„Das wird auch noch kommen. Eins nach dem andern.“

„Und dann?“

„Dann haben die Röcke auch gelebt.“

„Ihr wollt doch nicht in Hosen gehen, wie die häßliche Hälfte der Menschheit?“

„Warum nicht? Wie kommen wir überhaupt dazu, Röcke zu tragen? Der Rock hat sich überlebt, er ist der Blinddarm der Frauentoilette. Wir werden ihn wegoperieren. Er ist zwecklos und eines freien Geschlechtes unwürdig. Der Rock feierte seine unverschämtesten Triumphe in den dunkelsten Zeiten der Menschheitsgeschichte. Die längsten und faltenreichsten Röcke, nach oben und unten, trugen die Frauen des Mittelalters. Warum sollen wir glockenartig durchs Leben schweben, wie Wesen ohne Beine?“

„Also Sie glauben wirklich, daß sich die Frauenwelt zur Hosentracht bekehren wird?“

„Selbstverständlich! Mit Ausnahme der Kloster- leute und Geistlichen, bei denen der Rock den Verzicht aufs Geschlecht bedeutet.“

„Das kann schön werden!“

„Ich weiß, was Sie meinen. Das wird bei Frauen nicht unästhetischer aussehen, wie seinerzeit bei Herrn Rittmeister von Prittwitz. Man muß sich nur dran gewöhnen.“

„Wir kann’s recht sein.“

„Also beklagen Sie sich nicht und nehmen das Übrige mit in den Kauf. Wir wollen aus dem Rock heraus, wie die Kücken aus den Eierschalen. Ihr betrachtet uns halb noch als kleine Kinder, denen man Röcke anzieht, weil das für die Nurse bequemer ist.“

„Pfui! Haben Sie nie über die symbolische Bedeutung des Rockes bei der Frau nachgedacht?“

„Bleiben Sie mir damit vom Leib! Keuschheitsbedeutung der Verhülltheit! Ebenfalls pfui!“

„Gut, so will ich Ihnen sagen, wie wir es meinen. Ist Ihnen nie aufgefallen, daß Botticelli wohl Engel mit Pagenfrisur, aber niemals Engel in Hosen gemalt hat? Den Bubikopf lassen wir Euch durchgehen, aber niemals, daß Ihr Euern Engelsberuf durch die Tuchfutterale schändet, die wir Hosen nennen!“

Sie lachte Hohn und behauptete zynisch, die Engel finden erst Anerkennung, wenn sie gefallen seien. Da hatte es keinen Zweck, nicht wahr, sich länger mit ihr herumzustreiten.

Wir werden immer mehr verkannt.

TAGS
  • on haircuts
KatalognummerBW-AK-013-2906