Bist du Bienenvater? Nein? Du kannst es aber noch werden. Wäre Wilhelm Busch Imker gewesen, so hätte er gesungen: Bienenvater werden ist nicht schwer - Bienenvater sein dagegen sehr.
Die Bienenzucht ist eine von den Passionen, über die man lacht, bis sie einen selbst beim Hammelbein haben. Ich kenne einen Mann, der nie an einem Bienenstand vorbeiging, aus Angst, er könnte gestochen werden, und der das Wort Honig nicht konnte aussprechen hören, ohne daß ihm übel wurde - behauptete er. Wenn er von den geordneten Zuständen im Bienenstaat hörte, von den Drohnen und den Arbeitsbienen und der Königin usw., so zuckte er die Achseln und verwies das alles ins Reich der Einbildung. Er behauptete sogar, es habe nie jemand eine Bienenkönigin gesehen.
Heute vernachlässigt er Frau und Kind, um seinen Bienen aufzuwarten, hält Haufen von Imkerzeitungen in allen Sprachen, muß immer das Neueste haben, was in der Imkerei erfunden wird, ißt den Honig mit den Waben und behauptet, er sei nie so gesund gewesen, als seit er sich zu diesem integralen Nahrungs-, Genuß- und Heilmittel bekennt. Er ist nicht nur Bienenvater, er ist wirklich seinen Bienen ein Vater. Man erzählt von ihm sogar, eines Tages sei ihm eine Biene auf den Finger geflogen, die unterwegs ein Bein gebrochen hatte, und er habe es ihr mit dem Unterschenkel eines Heuschreckenbeines und einem Seidenfädchen geschient, und es sei wieder gut geworden.
Was weißt Du von Bienenzucht, wenn Du nicht selber im Reich der Immen zuhause bist? Höchstens vielleicht weißt Du, daß bei Station Kruchten ein farbiges Bienenhaus am Abhang beim Walde steht, und daß Du als Kind einmal einen Mann gesehen hast, der eine Drahtmaske vor dem Gesicht und leinene Handschuhe anhatte und der mit etwas wie einer großen, umgekehrten Pickelhaube nach einem dicken, braunen, summenden Klumpen zielte, der an einem Baumast hing. Und vielleicht saßest Du als Kind noch dabei, wie aus einem Sack der Honig in den Eimer lief. Das ist heute dunkles Mittelalter der Bienenzucht. Heute läßt sich der richtige Imker einen eigenen Schuppen für seine Stände bauen und er zeigt Dir mit Stolz sein Reich, in dem er allein herrscht, denn die Imkerei ist eine einlitzige Kunst. Da kann einem keiner zur Hand gehen. Er zeigt Dir die Wand, die von der Hinterseite seiner Stöcke gebildet wird und die aussieht, wie ein Schachbrett. Er hebt einen Verschluß fort und Du tust einen Blick in das Gewimmel des Liliputstaates. Er zeigt Dir sein ganzes Werkzeugarsenal, er erklärt Dir, wie alles gemacht wird, er sagt Dir auch, wieviel Völker er hat, aber er legt viel mehr Gewicht darauf, wieviel ihm eingegangen sind. Vom Honig redet er nur ungern, so ungern, wie ein Künstler vom Honorar, das ihm seine Werke eintragen. Denn der Imker ist ein Idealist, er liebt die Kunst um der Kunst willen. Er geht herum und es ist, als ob er vor Zärtlichkeit sogar die Wände streicheln wollte. Und dann tritt eine sozusagen dämonische Genugtuung in seine Züge, Triumph, Schadenfreude, Überlegenheit, während er sagt: „Hier bin ich ganz allein der Herr, hier kann keiner mir an der Wimper klimpern, hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein. Wenn sie mich „rose maachen“, dann ziehe ich mich hieher ins Allerheiligste zurück und werde bei meinen Bienen wieder froh und munter!“
Hast Du immer noch nicht Lust, Bienenvater zu werden?