Wenn Ruck männlich ist, so ist es der Ruck.
Der Ruck ist das prägnanteste Diminutiv von Nikolas. Alle Neckel, Nick, Colla, Klees, Klos und Klaus sind Waisenknaben gegen den Ruck. Ruck ist wie ein Schlag gegen ein volles Faß. Es klingt kurz, stumpf, aber verheißungsvoll. Wer kennt nicht einen Neckel, der es verdiente, Ruck zu heißen? Es gibt Nucke, bei deren bloßem Namen ihr Freundeskreis vor Sympathie zu schwingen anfängt. Das lugubre u in Nuck will auf verborgene Tragik anspielen, aber es ist im Grunde nichts als trockner Humor, den man sonderbarerweise am liebenswürdigsten bei feuchtfreulichen Gesellen findet.
Soviel über den männlichen Ruck.
Ist Ruck weiblich, so ist es die Ruck und an ihrem Fuß liegt Ettelbrück. Folgerichtig liegt die Ruck bei Ettelbrück und ist eine Anhöhe, von deren Gipfel man, so geht die Sage, die wundervollste Aussicht über die weite Umgegend genießt, bis zu den Höhen von Welscheid, bis Schloß Bourscheid usw. Ganz oben steht auf einer Stange ein Gockel und dreht sich nach dem Wind. Man kann ihn von der Eisenbahn aus sehen. Er steht da, damit in den Vorbeifahrenden der Wunsch rege werde, auch einmal da hinauf zu klettern.
Der Kegelklub „Pudelwohl“ von der Merler Straße hatte von der Ruck, ihrem Gockel und ihrer Aussicht reden gehört. Dieser Kegelklub hält große Stücke auf eine schöne Aussicht, auch außer der Aussicht auf ein gutes Geschäftsjahr. Also beschloß er für vergangenen Sonntag einen Ausflug auf die Ruck, das luxemburgische Gegenstück der Jungfrau aus dem Berner Oberland. Wie jungfräulich die Ruck noch ist, sollten die Mitglieder des Klubs „Pudelwohl“ bald erfahren.
Nach langen Monaten der Winterarbeit waren sie für den Zauber der Natur doppelt empfänglich. Schon der Anblick des Gockels auf der Ruck weckte in ihnen Begeisterung. Sie sprechen davon, den Gockel statt des Löwen als nationales Wappentier zu erkiesen. Denn dieser Gockel sei eine ganz andere Nummer, als der philiströse Pudellöwe auf dem Dicks-Lentz-Denkmal, der seine Tatzen auf das Landeswappen legt, wie ein Bankettredner beim Toast seine Hände auf die Stuhllehne.
Die Kegelbrüder begannen also den Aufstieg. Es könnte ihnen nicht fehlen, daß sie den kürzesten Weg hinauf fänden, dachten sie, denn im Herzen des Landes waren doch sicher Verschönerungsvereine an der Arbeit, die die Touristen methodisch auf bequemen Wegen nach den berühmten Aussichtspunkten drainierten. Sie sahen im Geist an jeder Wegkreuzung ein großes, blendend weißes Schild mit schwarzen Inschriften und roten Pfeilen: Ruck-Scheideck, Ruck-Kulm, Hardt, Deiwelsälter usw.
Nichts von alledem. Sondern die armen Kegelbrüder gingen schauderhafte Irrwege, sie gerieten aus der Bahn, wie verworfene Kegelkugeln, und immer tiefer in den bösen Vormittagsdurst, der die Stadt- leute befällt, wenn sie sich den Elementen ohne Training überlassen.
Sie fanden schließlich trotzdem den Gipfel und fanden auch das gastliche Haus in Diekirch, das den Müden Trank und Atzung bot. Aber wie leicht hätte die Sache tragisch enden können! Die armen Kegelbrüder hätten sich im Wald engültig verirrt, sie wären verhungert und verschmachtet, ihre Gebeine, von den Füchsen abgenagt und von der Sonne gebleicht, würden noch nach Jahrzehnten von der Sorglosigkeit und Pflichtvergessenheit des Sauertal-Verschönerungsvereins zeugen, der allerdings noch nicht besteht, aber der unbedingt bestehen müßte.
Dies bittet mich der Kegelklub „Pudelwohl“, durch das sonore Organ seines Spezialisten für den rechten Bauer, hiermit der Öffentlichkeit vorzutragen.
Quod feci, et salvavi animam meam.