Vom künftigen 6. Juni ab werden sich die Luxemburger in zwei Kategorien scheiden. Zur ersten Kategorie werden die gehören, die an dem Sprachlichen und volkskundlichen Lehrertag, veranstaltet von der Luxemburgischen Sprachgesellschaft, 5. und 6. Juni 1925, teilgenommen haben. Alle übrigen gehören zur zweiten Kategorie. Sie werden, solange sie leben, eine tiefe Reue darüber empfinden, daß sie diese Gelegenheit versäumt haben, aus guten Luxemburgern bessere, beste Luxemburger zu werden.
Lesen Sie bitte in unserer gestrigen Morgenausgabe das Programm der Veranstaltung und Sie werden sich überzeugen, daß mit obigen Worten nicht zu viel gesagt ist. Volkskunde, Sprachkunde, Altertumskunde - das alles fließt für den Laien in ein Wort zusammen: „Ous der aler Zeit.“ Als wir kürzlich mit der „Fauna“ durch den Moselgau um Sierck und Rodemachern fuhren, hörte man wie oft die Frage: „Aß dat och nach ous der aler Zeit?“ Und wurde sie bejaht, so fand jedermann es pflichtschuldig schön und interessant. Aus dem angeborenen Respekt für alles Althergebrachte. Aber Rechenschaft über das Interesse und die Schönheit legten sich die wenigsten ab. Das ist nun einmal so. „Iwer Hähd“ werden die Erscheinungen eingeteilt in alt und neu. Ist die Mode so, daß die alten Sachen beim Publikum in Gunst stehen, so kauft sich der archäologisch oder foltloristisch und kulturhistorisch Interessierte meinetwegen ein Spinnrad oder einer Haspel und stellt sie, mit einem rosa Schleifchen verziert, im Salon auf den Blüthner, damit jedermann sehe, wie er alles in Ehren hält, was von seiner Großmutter stammt. Andere, und merkwürdig die, die daheim diesem kostbaren Überlieferten noch am nächsten standen, haben keinen Sinn für seinen Wert und träumen von einem neuen Büffet mit Schnitzereien und Butzenscheiben.
Aber das Interesse für der Urväter Hausrat, Sitten und Gebräuche und Sprache ist wirklich zu gut, als daß es eine mit rosa Bändchen geschmückte Modesache für den Salon werden darf.
„Kenne dich selbst,“ ist eines der ältesten und eindringlichsten Worte, die die Weisheit der Völker geprägt hat. Aber Du selbst, das ist nicht der Herr Johann Irgendwer, 1.75 Meter groß, Haare braun, Augen dito, Bart keiner, Kinn rund, besondere Kennzeichen keine - den Du im Spiegel siehst, wenn Du hineinschaust, sondern das ist Dein Geschlecht von Alters her, das sind alle, mit denen Du eines Blutes und eines Stammes bist. Du hängst mit Deinen Urahnen viel enger zusammen, als Du glaubst und weißt, wer sagt Dir, daß Du nicht die genaue Wiederholung eines Deiner Vorfahren aus dem 16. oder 17. Jahrhundert bist, mit denselben Haaren und Augen und demselben Kinn und denselben Mucken?
Es ist wirklich an der Zeit, daß auch bei uns dies unbestimmte, unzusammengefaßte und richtunglose Interesse für alles „ous der aler Zeit“ Richtung, Tempo, Steigerung und Methode bekommt. Und da ist es ein Meistergriff des Sprachvereins, daß er sich an die Luxemburgr Lehrerschaft wendet, sie zu einem Lehrertag beruft und ihnen durch die Koryphäen der einschlägigen Disziplinen die Wege zur Erforschung des Gebietes weisen läßt. Unsere Lehrer und Lehrerinnen sind die idealen Arbeitsbienen der Sprach- und Volkskunde und durch ihre Heranziehung hat der Sprachverein mit einem Schlag die Bewegung in Schwung gebracht und ihr Fernwirkung und Dauer gesichert.
Aber auch außerhalb der Lehrerschaft gibt es Unzählige, die sich für dies Gebiet interessieren und ihrem diesbezüglichen Wissen eine Unterlage und System geben möchten. Sie können sich für zehn Francs eine Teilnehmerkarte verschaffen. Schon allein der Besuch der alten Festung unter Führung des Herrn Prof. Paul Medinger, Konservator des Historischen Instituts, ist die zehn Franken wert.
Die Kurse finden in der Aula des Athenäums statt und beginnen am Freitag, 5. Juni, vormittags 9.15, mit einem Vortrag des Herrn Prof. Dr. A. WredeKöln über Volkskunde als Wissenschaft und Unterrichtsprinzip.