Der Franz war ein begeisterter Anhänger der Feuerbestattung.
„Ich will nicht nach meinem Tode herumliegen, wie ein leeres Stullenpapier im Wald nach dem Picknick. Reinen Tisch machen! Ein Vereinsmeier bin ich nicht, ich gehöre keinem Kegelklub, keinem Gesangverein, keinem Pompierskorps an, aber in den Feuerbestattungsverein habe ich mich aufnehmen lassen, weil sie mir gesagt haben, da wird man erst nach seinem Tode aktiv. Ich will inaktiv bleiben so lange wie möglich.“
Wegen der Einäscherung war der Franz also beruhigt.
„Ich stelle mir vor, wie ich da in Mainz auf dem Friedhof in der feierlichen Halle unter Blumen versteckt liege, wie das Harmonium weich erklingt - ich bestelle mir ein Potpourri aus sämtlichen Nationalhymnen der Welt, da ist Begeisterung, Andacht und Jux drin - und dann drückt jemand auf einen Knopf, ich versinke und sinke den Flammen entgegen, und über ein Weilchen ist von mir nur noch ein Häuflein Asche übrig. Darunter tun sie’s nicht. Ein Windhauch wäre mir lieber, der könnte, als sei er meine befreite Seele, um die Welt herum fahren und an allen Stätten säuseln, wo ich einmal froh war.
Aber sei’s um ein Häuflein Asche. Was nun? Sollen meine Erben die Urne mit meiner Asche zwischen zwei Papierblumensträußchen aufs Kamin stellen? Oder wird sie nach und nach immer weiter in den Hintergrund geschoben, bis sie in der Rumpelkammer landet? Ich möchte nicht in einer Rumpelkammer endigen!“
„Ich auch nicht,“ sagte mit tiefster Überzeugung Franzens kleiner Freund Heinz, der aufmerksam zugehört hatte.
Es war auf einem Ausflug, nach einem fröhlichen Picknick am Fuße der Geiersley. Der Bach plätscherte und seine Wellchen glitzerten durch das Gestrüpp, grün bemooste Felsklötze hoben sich aus dem Bachbett wie samtig behaarte Rücken großer und kleiner Waldungetüme, Duft aus Kaffeebechern mischte sich in den süßen Odem des Waldes, über die Wipfel der Buchen schwammen die sonnenschwangeren Wolken, alles schmolz in Sehnsucht nach dem Schoß der Natur. Der Franz breitete weit die Arme und warf sich der Schöpfung an die Brust, fühlte sich eins mit dem All.
„Ach!“ rief er. „Daß ich nicht selber meine Asche hinausstreuen kann in die Unendlichkeit! Wer wird sie hinaustragen auf die Berge, bei Sonnenaufgang, wenn das junge Licht rosenrot über die Schneegipfel blutet, wenn der Morgenwind in weiten Sätzen sich über das Land schwingt, oder wer wird damit hinausfahren auf die hohe See, wenn es braust und stürmt - wer wird meine Asche hinausstreuen, weit weit in die Welt, daß sie mit dem Morgenwind in den Himmel fliegt!“
Der kleine Heinz hatte über dieser begeisterten Rede die Hand seines großen Freundes gefaßt, er hing mit leuchtenden Augen an seinen Lippen und sagte:
„Sei ruhig, Onkel Franz, ich streue dich!“