Die allzu kurzen Zeitungsberichte über den Verlauf des Kongresses für heimatliche Sprach- und Volkskunde geben nur einen äußerst schwachen Begriff von dem Gelingen und der weittragenden Bedeutung der Veranstaltung. Sie war so reich an Aussaat und Ernte, daß der junge Verein darauf in jedem Betracht stolz sein darf, und daß sie mit ihrem mannigfachen Widerhall weit in die Zukunft zu wirken vermag. Die Sache des Luxemburger Sprachvereins ist in diesen Tagen des 5. und 6. Juni zu einer öffentlichen Angelegenheit geworden, zu einer Landesangelegenheit, an der jeder Luxemburger im In- und Ausland ein reges Interesse haben muß.
Sie war es, in latenter Weise, schon früher. Das wurde offenbar durch die unerwartet große Beteiligung. Die Veranstalter hatten, als sie sich an die Lehrerschaft wandten, auf zirka 100 Teilnehmer gerechnet. Und es kamen an die 540!
So erfreulich das an und für sich war, es stellte sich leider als ein Mißstand heraus, insofern der gewählte Versammlungssaal sich als zu klein und auch in anderer Hinsicht als ungeeignet erwies. Die Aula des Athenäums ist für intime Feiern, Vorträge usw. mit beschränkter Teilnehmerzahl wie geschaffen. Geht aber die Zahl der Zuhörer weiter in die Hunderte, sind die Tage und Abende heiß, sodaß die Fenster geöffnet werden müssen, so wird der Aufenthalt in dem kleinen Saal gelinde gesagt unkomfortabel, und jeden Augenblick stört eine Elektrische, die vorbeidröhnt, pfeift und klingelt, oder das Huppen, Fauchen, Schnattern eines Automobils mitten in einem Vortrag Rede und Stimmung. Der große Cercle-Saal wäre für diese Gelegenheit grade recht gewesen.
Das erfreulichste Moment, nach der überaus regen Beteiligung, war das gespannte Interesse, das die Zuhörer und zumal die Zuhörerinnen bis zur letzten Minute für die Vorträge an den Tag legten. Wenn nicht alles trügt, so werden die Leiter der Vereinsarbeiten gerade bei den Lehrerinnen - wozu auch die in namhafter Anzahl erschienenen Schulschwestern gerechnet seien - auf Entgegenkommen bei Rundfragen, Aufforderung zu besondern Beobachtungen, Aufzeichnungen usw. rechnen können. Wenn beim Manne die Sprache vielfach ins Gebiet der harten Stoffe gehört, bei der Frau zählt sie jedenfalls zu den Flüssigkeiten, das Wort ist der Frau im eigentlichen Sinne geläufiger als uns, und wo es um Worte und den Wortschatz geht, muß sie jedenfalls an erster Stelle Bescheid wissen. Also ans Werk, meine Damen, tragen Sie Ihre Steine herzu zum Bau, der so glücklich begonnen wurde.
In dieser kurzen Nachlese soll besonders auch der beherzigenswerten Rede Erwähnung geschehen, die Herr Kammerpräsident René Blum am Freitag Abend im Kasino an die Tafelrunde richtete, zu der sich der Vereinsvorstand mit einer Anzahl der Teilnehmer und Herrn Professor Dr. Wrede zusammengefunden hatte. Herr Blum wies in eindringlichen Worten auf die Notwendigkeit hin, unser Sprachgut ungeschmälert zu erhalten. Jedes verschwundene Wort sei ein auf immer verlorener Schatz.
Eine äußerst glückliche Idee hatten die Veranstalter, als sie das Männerquartett Willy Hary unter Leitung des Herrn F. Beicht für die Nachfeier am Freitag Abend im Kasino verpflichteten. Man hat es da mit einem Stimmaterial zu tun, das von dem klangschönen Tenor des Herrn Hary bis zu dem gewaltigen Baß des Herrn Pfeiffenschneider sorgfältig eins aufs andre abgestimmt und zu einem herrlichen Ensemble verschmolzen ist. Dabei haben die Herren ein schier unerschöpfliches Repertoire, das durch alle Gebiete der Gesangsliteratur reicht. Viele hatten vom Bestehen dieses Quartetts keine Ahnung. Mancher Kunstmäcen wird sich freuen, davon zu vernehmen und wird an einem lauen Sommerabend seinen Gästen die Überraschung bereiten, daß er das Willy Hary-Quartett in seinen Garten einlädt, und daß auf einmal hinter einem Jasminbusch hervor in wundersüßen Akkorden das liebe alte Liedchen erklingt: In einem kühlen Grunde ....
Die Tage des 5. und 6. Juni 1925 werden allen Teilnehmern unvergeßlich bleiben. Sie gehörten ganz der luxemburger Heimat, sie haben die Wege gewiesen zu ihrer besseren Kenntnis und damit zur tieferen Liebe zu ihr.