Original

23. Juni 1925

Jedes denkende Wesen hat es in sich, daß es auf andere denkende Wesen einen möglichst guten Eindruck machen will. Und da alles auf den ersten Eindruck anzukommen pflegt, sucht Jedes sich so in Szene zu setzen, daß es auf Anhieb so günstig wie möglich wirkt.

Dies gilt vom Mann, der sich, wo er in die Erscheinung zu treten hat, mit dem ganzen Aufgebot seiner Männlichkeit gibt, es gilt von der Frau, die Hut, Frisur und Kleid auf den ersten Eindruck hin berechnet, und es gilt zumal von den Stadtgemeinden, die sich bei den Fremden in ein günstiges Licht setzen wollen und daher vor allen Dingen die Zugänge schmuck auszugestalten suchen. Trier zum Beispiel bleibt allen Reisenden in günstiger Erinnerung, weil der Zugang vom Bahnhof her über die Nordallee eines der schönsten Städtebilder in weiter Runde aufzeigt. Ist einmal unsere Freiheitsavenue so weit bebaut, daß sie ein Definitives, Fertiges darstellt, so werden wir auf den Eindruck, den sie auf den Fremden machen muß, stolz sein können. Stattliche Bauten in echtem Material, angefangen mit dem Hotel Staar, der monumentale, vornehme Arbed - Palast, die Adolfbrücke, die Häuserreihe hüben, die nach dem Petrußtal Front macht, das malerische Tal selbst, das alles gibt zusammen ein Städtebild von seltenem Reiz und nimmt Aufmerksamkeit und Sympathie der Ankommenden gefangen.

Aber die Touristen - und mit ihnen hauptsächlich rechnet die Stadt, wenn sie Toilette macht - kommen heute nicht mehr alle vom Bahnhof herein, man kann wohl behaupten, daß die meisten im Auto aus allen Windrichtungen heranfahren und darum wäre es wesentlich, daß der erste Eindruck, den sie von der Stadt empfangen, so vorteilhaft wie möglich ausfiele. Stellenweise ist es der Fall. Dem Fremden, der von Eich herauf sich der Stadt nähert, zeigt sie sich im ganzen Reiz ihrer Eigenart. Noch eindrucksvoller ist der Blick vom Fetschenhof her. Die Zufahrt über die Schloßbrücke mit dem Ausblick ins Tal und der Fischmarkt halten, was das Panorama von der Trierer Straße aus versprochen hatte. Von Arlon her empfängt der Ankommende auch einen günstigen Eindruck, desgleichen bei der Zufahrt von Hollerich aus. Nur der Eingang von der Merler Seite ist leider arg verschandelt, und ausgerechnet durch die zuständigen Behörden. Das alte Oktroihäuschen zum Beispiel macht auf Monumentalität keinen Anspruch und fordert leicht zu spassigen Bemerkungen heraus. Weniger harmlos aber macht sich nebenan der Platz, den die Bauverwaltung als Lagerstelle für Pflastersteine und andere ebenso malerische Gegenstände benutzt. Man fragt sich immer wieder, warum dieser herrliche Baugrund nicht längst versteigert wurde. Vielleicht bestand früher ein Bedenken, solange die Stelle durch den faden Gestank aus dem gegenüber liegenden Häutemagazin entwertet war. Aber dieser Mißstand ist heute verschwunden. Die großzügige und weitschauende Stadterweiterungspolitik des heutigen Schöffenrates ist im Begriff, den Zugang zur Belairstraße zu erweitern und damit unabsehbare Ausdehnungsmöglichkeiten nach jener Seite zu erschließen. Sollte die öffentliche Bauverwaltung auch dann noch sich darauf versteifen, im Innern der Stadt - denn jene Ecke gehört längst nicht mehr zur Peripherie - ihren Lagerplatz beizubehalten, so wäre das schlechterdings nicht mehr zu verstehen. Die Zinsen der Summe, die dieser Platz heute wert ist, stellen eine Miete dar, die niemand für einen solchen Zweck auswerfen darf, wenn er wirtschaftlich denkt. Und wenn bei der Versteigerung dafür gesorgt wird, daß auf diesem Baugrund nur solche Häuser entstehen, die einer Stadt zur Ehre gereichen - sie brauchen sich nur den Nachbarvillen anzupassen -, so ist der Stadt- ein großer Dienst geleistet.

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    Katalognummer BW-AK-013-2946