Das war zu befürchten.
Als der Verein „Landwuel“ für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege mit dem französischen Kampfruf «retour à la terre» gegründet wurde, war zu befürchten, daß er ganz in die Hände der Intellektuellen gleiten würde.
Jetzt sind wir so weit. Die letzte Nummer des Vereinsorgans gehört ganz den Herren Professoren, die darin Orgien von literarischer Kritik, von belletristischen Betrachtungen und Befeuerungen feiern. Was sie sagen, ist vortrefflich gesagt, man kann ihnen in der Hauptsache nur beipflichten, aber bei denen, auf die es ankommt, ist das alles in den Wind gesprochen. Es ist das Hohe Lied vom Bauerntum arrangiert vierhändig für Klavier. Und die Bauern werden sich selbstverständlich sagen, es sei doch merkwürdig, daß Herren, die so inbrünstig für das Landleben, für den Reiz des Pflügens und Heumachens schwärmen, seinerzeit den väterlichen Äckern und Ställen und der ländlichen Heimat Adieu sagten, um ihr Fortkommen in der Stadt zu suchen, in der dummen, dumpfen, schlechten, heuchlerischen, hoffärtigen, übertünchten Stadt.
Es ist gut gemeint, und es ist ein Fehler, der sich immer wiederholt. Wenn man schon schreiben kann, will man eben auch schreiben, um den Bauern zu sagen, wie schön sie es haben und wie dumm sie wären, wenn sie sich einbildeten, sie könnten es in Esch oder Luxemburg besser bekommen. Literatur ist nichts für den Bauer. Wenn er nicht in seinem tiefsten Innern empfindet, was seinen Stolz und seine Stärke ausmacht, nämlich daß er der Herr und König auf seiner Scholle ist, dann verdient er schon nicht mehr, ein Bauer zu sein, dann mag er in Fron und Robott für andere sich rackern und fremdem Willen gegen Geld sich beugen. Wenn man im Zusammenhang mit Bauerntum und Landleben in Literatur macht, so geht das immer an die Adresse der sogenannten Gebildeten. Je feiner, desto höher hinauf. Es könnte ein Dichter den Zauber des Landlebens in so zarten Tönen einfangen, daß sie für schlichte, bäuerliche Seelen nicht mehr wahrnehmbar wären und doch im Tiefsten vom Wesen der Bauernseele Kunde gäben. Wo der Intellektuelle raffiniertem Fühlen nachgeht, hält es der Bauer mit der billigen Pomade der Sentimentalität. Wenn darum Professoren unter sich die Heimat und ihre Dichter preisen und einer den andern zu neuen Heldentaten auf diesem Gebiet anspornt, so spielt sich das weit von dem Gebiet ab, auf dem die Ziele und Aufgaben des Vereins „Landwuel“ liegen. Landflucht und andere Übel, an denen zeitweilig das Bauerntum krankt, lassen sich nicht dadurch kurieren, daß den Bauern die Vorzüge ihres Standes vorgepredigt und gesungen werden. Diese Übel gehören in die zwangsläufige wirtschaftliche Entwicklung und weichen keiner poetischen Gesundbeterei. Die einen drehen ihrer ländlichen Heimat den Rücken, weil sie in der Stadt, in der Fabrik usw. mehr und leichter zu verdienen hoffen, die andern, weil sie anderswo das Erworbene leichter und restloser in den Genuß von allerhand Lebensgütern umsetzen wollen. Dagegen hilft keine Lyrik. Der Bauer ist der Kunde, der sich am allerwenigsten eine Ware andrehen läßt, zu der er keine Lust hat. Das Problem heißt: Mehr Verdienst, mehr Genuß! Und wer ehrlich genug ist, zu sagen, wie es zu lösen wäre, der läuft Gefahr, einerseits von den Städtern, andrerseits von den Bauern gelyncht zu werden. Mehr Verdienst? Das ist größere Freiheit in der Preisgestaltung und Absägen des Zwischenhandels u. s. w. Mehr Genuß? Da bräuchte man nur der Dorfjugend etwas mehr freie Hand zu lassen.
Aber weniger Literatur, bitte, viel weniger Literatur.