Ein Bekannter kaufte kürzlich im Ösling eine alte Uhr.
Als er sie zuhaus untersuchte, fand er darin ein vergilbtes Blatt, auf dem Folgendes gedruckt stand:
„Mit Königlichem Urlaub/ sambt Permission des Herrn General-Lieutenant über die Policey wessen zu Nancych.
DER Herr DE BREULLE machet, verkaufet, und theilet aus eine wahrhafte Stahlerne-Kugel oder Boule d’Acier, mit Namen Wund-Artz. Diese gesagte Kugel hat an sich wunderthätige Tugenden, welche sowohl dem Menschen, als wie auch dem Viehe nützlich ist. Damit man sich aber selbiger wohl gebrauchen könne, muß man ein Glaß voll Wasser halb warm machen, in welchem genannte Kugel gewelzet wird, biß das Wasser ganz schwartz wird, dieses Wasser untermischet man mit einer eben so großer quantität rechten guten Brand-Wein, so wird selbes allerhand Wunden, und Zerstossungen curieren; von dieser Kugel können auch drinken, so mit dem Bauch-Grimmen behaftet, die der Gebähr-Mutter gefährlich seynd, und andern dergleichen Schmerzen. Genantes Wasser reiniget das Geblüt, heilt, so den Blut-Fluß haben, dienet den Töchteren, und Weibern absonderlich zur Zeit der Gebuhrt, sie müssen dieses Wasser mit weisen Wein des Morgens und Abends einnehmen, und dieses continuiren eine Zeit von fünf oder sechs Tagen, sie müssen sich warm ins Bett einhalten, nichts hartes essen; man kan es auch einnehmen mit Wasser und Zucker auf selbige Weiß und Manier, auf welche gesagte Mitteln des Wund-Artz genohmen werden, und es stärket den Magen, es gibt Appetit, die beladene Brust, und allerhand Brust-Fluß heilet es; so Zähn, und Ohren-Wehe haben, wann es von den Flüßen herkommet, so trinket man ein im gesagten Wasser ein wenig Bauvoll, und stecket es in das Ohr, oder inwendig leget man es auf die Zähn; es lindert das Haupt-Wehe, man muß aber fünf oder sechs Tropfen selbiges Wassers mit denen Naas Löchern aufziehen; lindert den Schmerzen des Ziepperleins, und allerhand Haupt-Fluß, wann man sich warm mit selben Wasser reibet; letztlich gesagte Stahlerne-Kugel begreiffet in sich große Kräften, dienend so wohl allerhand Thieren, als dem Menschlichen Leib. Sie wird von allerhand größe gemacht, und also wird selbe für unterschiedlichen Preiß verkauft. Diese Kugel ist von vielen Glaubhaften, als wie auch Adlichen Persohnen approbirt worden, welches kan bezeiget werden von dem Herrn Chicoineau, vornehmsten Leibartz des Königs aus Frankreich, wie auch von vielen Artzen, Wundartzen, und Apotheckern aus Montpellier, es hat sich unterschrieben der Herr Chicoineau, und die Herrn Leibartzen des König von Pohlen.“
Lieber Leser oder liebe Leserin! Du hast wahrscheinlich beim Lesen dieses Quacksalbermanifestes den Kopf geschüttelt und gesagt: Wie damals die Leute doch so dumm waren!
Du hattest Unrecht. Die Welt ist bis heute noch nicht gescheiter geworden. Der Stahlerne-Kugeln oder Boule d’Acier gibt es noch heute viel mehr, als Du zu glauben scheinst. Wo die Gesundheit im Spiel ist, hört der Glaube auf und fängt der Aberglaube an. Und die werden niemals alle, die für Stahlerne-Kugeln ihr Geld mit Inbrunst hergeben.
Nur daß aus den Kugeln heute Pillen geworden sind.