Original

30. Juni 1925

Erstens heißt das Ding sehr oft zu Unrecht „Druckfehler“. Es kann zuweilen ein Schreibfehler sein, insofern derjenige, der das Opfer des Druckfehlers wurde, es dem Umstand verdankt, daß er eine unleserliche Klaue schreibt.

Zweitens soll es Setzfehler heißen, weil der Fehler nicht überm Drucken, sondern überm Setzen passiert ist.

Aber da die Plage nun einmal unter dem Namen Druckfehler populär geworden ist, mag sie weiter so heißen.

Der normale Druckfehler pflegt der Korrektur zu weichen. Es gibt aber auch anormale Druckfehler, die jeder Korrektur trotzen, wie die Reblaus dem Petroleum.

Der Durchschnittsmensch hat keine Angst vor dem Druckfehler, höchstens daß er sich gelegentlich über einen freut, der besonders gut geraten ist. Nur wer etwas drucken läßt, zittert beständig vor dem Kobold, der früher im Setzkasten hockte und heute im Buchstabenmagazin der Linotype geistert.

Vor langen Jahren schon richtete ich aus bangem Herzen an die sehr geehrten Herren Setzer ein Stoßgebet, in dem ich sie anflehte, mich vor der Vernichtung durch einen Druckfehler zu bewahren. Ich tat es mit dem Empfinden, mit dem etwa ein Flieger an die Monteure schreiben würde, die seinen Apparat vor einem gefährlichen Flug nachzusehen haben.

Durch eine lockere Schraube, eine schlecht gesicherte Drahtschleife können sie ihn dem Verderben weihen. Sie brauchen nur zu wollen, und er ist ein toter Mann.

Genau so, schrieb ich damals, haben Sie, sehr geehrte Herren, mein Leben in Ihren beiden Händen.

Sie können mir mit der Linken oder mit der Rechten, ja mit dem leisen Druck eines einzigen Fingers, den Todesstoß versetzen.

Denn Sie wissen aus zahlreichen Zitaten nach dem bekannten französischen Sprichwort, daß nichts so sicher tötet, wie die Lächerlichkeit. Und durch die Verstellung eines einzigen Buchstabens können Sie einen Mann unter dem Fluch der Lächerlichkeit ersticken.

Ich rede nicht von harmlosen Druckfehlern, über die der Leser sich freut, weil er sie als neusten Witz am Stammtisch zum besten geben kann.

Aber ich fühle es dunkel und unheimlich: Irgendwo lauert ein Druckfehler, der den, den er trifft, totsicher zur Strecke bringen muß. Er hängt lose, wie zerbröckeltes Gestein, irgendwo in dem Magazin Ihrer Setzmaschine und wartet, Unheil grinsend, auf das leise Tippen Ihres Fingers, um hinunterzuschießen und, dem Steinchen im Gebirg gleich, die Lawine des Skandals verwüstend in das Tal meines Friedens zu wälzen.

Irgend einmal wird so mein Schicksal in Ihre Hand gegeben sein.

Ich beschwöre Sie, seien Sie dessen eingedenk! Und was hätten Sie schließlich davon, wenn Sie mich zum Selbstmord trieben oder wenn ich gar Weinreisender werden müßte?

Also redete ich vor langen Jahren den sehr geehrten Herren Setzern ins Gewissen.

Sie haben es bis heute gnädig gemacht. Denn noch lebe ich und noch verkaufe ich weder Bordeaux, noch Burgunder, noch Mercier, Sankt Martin oder Bernard-Massard.

Aber man erlebt doch bange Augenblicke. Man sieht sich zuweilen dicht vor dem Abgrund. Ich sage nicht, wie ich grade heute zu diesem Stoßseufzer komme. Ich will glühende Kohlen auf dem Haupt des Schuldigen sammeln. Aber er muß selber sagen, es gehört Großmut dazu, einem einen doppelten Totschlagversuch zu verzeihen, einmal mit einem Deckenbalken und einmal mit einem Schock Druckfehler.

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KatalognummerBW-AK-013-2951