Original

3. Juli 1925

„Rübchen schaben“ heißt es im Deutschen. „Je t’en ratisse“ im Französischen. In Esch sagen sie dafür „Dao fömmsch de net!“ Alles das drückt das Telephon, die Quasselstrippe, heutzutag mit der Silbe tä aus, die in kurzen Abständen endlos wiederholt wird.

Ich möchte mich im Hôtel des Ardennes zu Diekirch anmelden: Tä tä tä tä tä ....

Ich möchte bei Folmer in Remich Krebse bestellen: Tä tä tä tä tä ....

Ich möchte wissen, ob am Samstag mein Freund Josy zuhaus ist: Tä tä tä tä tä ....

Es ist jemand die Treppe heruntergefallen und hat sich den Knöchel verstaucht und ich will den Arzt rufen: Tä tä tä tä tä ....

Ich will Peter und Paul mitteilen, daß die Versammlung erst am Montag stattfindet: Tä tä tä tä tä ....

Das Telephonieren nach auswärts ist zu einen Loterie geworden, in der man fast nur noch Rieten zieht.

Man nimmt sich vor, des Morgens früh der Erste in der Linie zu sein. Tä tä tä tä tä .... Man hat vergessen, daß sieben und dreißig andre sich dasselbe vorgenommen hatten. Gut, man will den Zudrang abebben lassen, wartet eine halbe Stunde: Tä tä tä tä tä .... Noch eine halbe Stunde: Tä tä tä tä tä .... Nun wiederholt man die Übung in kürzeren Zwischenräumen, um die Chancen zu vergrößern, daß man zwischen zwei Verbindungen hineintrifft. Vergebens. Man dreht Nummer null und klagt dem Mann in der Zentrale sein Leib: „Jetzt habe ich dritthalb Stunde vergebens versucht, nach Remich zu kommen, was soll ich ....“

„Remich ist eben freigeworden.“

Hocherfreut streckt man die Hand nach dem Zifferblatt aus und wird inne, daß man die Nummer vergessen hat. In fieberhafter Eile, mit flatternden Händen, blättert man im Telephonbuch nach, findet die Nummer, dreht sie an: Tä tä tä tä tä! Schon ist Remich wieder besetzt.

Remich hat übrigens darin kein Privileg. Mit Wiltz, Grevenmacher und andern Provinzzentren verhält es sich ganz genau ebenso. Wo ist die gute alte Zeit, wo einem der Mann am Apparat den beruhigenden Bescheid gab: Der kritt geschellt! Man kriegte zwar selten geschellt, aber es ist doch etwas ganz anderes, wenn ein lebendes Wesen aus mitfühlendem Herzen Ihnen sagt: Grevenmacher ist besetzt - als wenn Ihnen eine Maschine unter Kommando einer elektrischen Kraftquelle hämisch ins Ohr tutet: Tä tä tä tä tä!

Wie wäre dem Mißstand abzuhelfen? Durch mehr Leitungen, sagt die Post. Aber das kostet Geld, viel Geld. Man könnte auch die bekannte Vorrichtung anbringen, die jedes Gespräch nach drei oder gar zwei Minuten automatisch abschneidet. Weiß jemand, daß er nur zwei Minuten reden darf, so richtet er sich darnach ein. Man kann in zwei Minuten schon sehr viel sagen, wenn man will. Aber diese Vorrichtung kostet wahrscheinlich auch wieder Geld.

Es gäbe ein drittes Mittel. Es wäre praktisch, radikal und kostete gar nichts, aber nach der Einführung des Frauenstimmrechts hätte es nur beschränkte Aussicht auf Gutheißung durch das Wählerkorps. Es bestände darin, daß die Personen des weiblichen Geschlechts vom Gebrauch des Telephons ausgeschlossen würden. Für weibliche Büro- und Kontorangestellte könnte während der Dienststunden eine Ausnahme gemacht werden, falls sie im selben Raum mit andern Angestellten arbeiten und telephonieren.

Die Frau, die uneingeschränkt über ein Telephon verfügt, treibt damit naturnotwendig Mißbrauch. Das hängt damit zusammen, daß sie ihrem Wesen nach das Beharrende ist. Das Beharrende muß seine Fühlfäden nach allen Weiten ausstrecken, um die Schwingungen des Lebens zu sich herzuleiten. Der Mann ist das Vorübergehende, er gewinnt in die Weite hinaus Fühlung mit allem Sein und verliert keine Worte, wenn er handeln kann. Auf diesen Wesensunterschied, dieser Schlichtung beruht die Welt, grade wie ein Gespräch nur an Rede und Widerrede sich weiterspinnen kann. Aber im Telephon braucht sich ein solcher Unterschied nicht auszuwirken. Bedenken Sie, meine Damen, daß Sie durch Befriedigung Ihres Plauderbedürfnisses am Telephon ein Menschenleben gefährden, Verluste von Hunderttausenden verschulden können. Gewöhnen Sie sich an, daß Sie ans Telephon mit demselben Hast- und Angstgefühl gehen, wie Sie ein Bahngeleise vor einem heranbrausenden Zug überschreiten. Nach Ihnen will vielleicht ein Gespräch einsetzen, von dem Großes, Ungeheures abhängt. Und Sie stehen da als Verkehrshindernis mit einer Unterhaltung über einen neuen Hut oder über Johannisbeergelee! Für solche Unterhaltungen ist das Telephon ebensowenig da, wie die Elektrische für den Transport von Heu und Stroh.

TAGS
  • telephone
KatalognummerBW-AK-013-2954