In Mondorf schwillt nun die Sallonsymphonie langsam zum Fortissimo des Mittelsatzes an. Leider ist das Instrument, auf dem sie gespielt werden soll, immer noch nicht bereit. Der Neubau kommt nicht vom Fleck. Die Kammer hat Mondorf und dem Land gegenüber ihre Pflicht getan und zum ersten Mal, mit dem alten Flicksystem brechend, ordentlich in den Beutel gegriffen. Die Regierung hat ihre Pflicht getan, Pläne vorgelegt und für deren Ausführung gesorgt. Der Staatsarchitekt Herr Wigreux hat seine Pflicht getan und die Pläne derart ausgearbeitet, daß der Bau nicht nur in seinem Äußern einen bescheiden gefälligen Anblick und im Innern eine äußerst zweckmäßige und praktische Raumeinteilung aufweist, sondern auch in seinen technischen Anlagen sich als tadellos herausstellt. Der Unternehmer Achille Giorgetti hat seine Pflicht getan, indem er unter Hochdruck die ihm übertragenen Arbeiten, die allerhand knissliche und schwierige Stadien durchzumachen hatten, mit Brio und der bekannten Gediegenheit erledigte. Der Unternehmer der Leitungs- und Heizungseinrichtungen hat seine Pflicht getan, denn die alten Kabinen werden schon vom Neubau aus bedient. Bisher, das heißt, bis vor einigen Monaten hatte jedermann seine Pflicht getan. Wer aber vor cirka sechs Monaten den Bau zu besichtigen Gelegenheit hatte und ihn heute wieder betritt, ist verblüfft. Verblüfft darüber, daß in der Zwischenzeit so gut wie kein Fortschritt gemacht wurde. Die Hoffnung, noch im Laufe dieser Saison einen Teil wenigstens der neuen Badeeinrichtungen in Betrieb zu nehmen, ist längst begraben. Wenn es so weiter geht, kann die neue Anstalt noch in zehn, zwanzig Jahren nicht ihrer Bestimmung übergeben werden. So lange also bleiben die darauf verwandten Millionen ungenützt und die guten Absichten der Kammer wirkungslos.
Es wäre der Mühe wert, den Gründen dieser skandalösen Verschleppung nachzugehen und dem Lande zu sagen, weshalb ihm die Vorteile seiner nationalen Heilquelle in so unverantwortlicher Weise immer noch vorenthalten werden, nachdem Kammer, Regierung, Staatsarchitekt, Bauverwaltung und Unternehmer restlos ihre Pflicht getan haben.
Um nicht mit Gekeife zu schließen, sei auch Erfreuliches berichtet. Zum Erfreulichen in Mondorf gehört vor allen Dingen auch das kleine Kurorchester, vier Streicher, Klavier und Harmonium. Das ist kein durchschnittliches Orchester, das seine Walzer, Foxtrotts, Potpourris, Ouvertüren und dergleichen schlecht und recht herunterspielt. Es ist ein Ensemble von wirklichen Künstlern, die, wenn es verlangt wird, erstklassige Kammermusik machen. Ihre Konzerte sind dem allgemeinen Urteil nach weitaus die besten, die jemals dem Mondorfer Badepublikum geboten wurden.
Trotzdem der Zug der Zeit nach dem Demokratischen geht, scheint sich Bad Mondorf immer mehr darauf zu besinnen, daß ein Thermalbad kein Jahrmarkt ist. Das Leben stimmt sich mehr, als früher, auf den ganz besondern Ton ab, der einem Kurausenthalt einen großen Teil seines Reizes und seiner wohltätigen Wirkung verleiht. Wer zwei, drei Wochen seinen Nerven Ruhe gönnen will, legt keinen Wert auf den Trubel und das Geräusch des Alltags und kann es sehr wohl entbehren, daß zum Beispiel die Partavenue als Übungsplatz für angehende Motorfahrer benutzt wird, die die Abendluft mit Getnall füllen, als sei ein Feuerwerk programmwidrig am Abdrennen. Zu jedem Badeort gehört das Dolce far niente, wie eine Arznei, und die erste Sorge jeder Kurdirektion geht dahin, jede überflüssige Störung von den Heilungsuchenden fernzuhalten.