Original

24. Juli 1925

Un den Ständen der Luxemburger „Schieß“ im Kreuzgründchen knallen am Sonntag wieder die Büchsen, die Scheiben steigen an einander vorbei hinauf und herunter, die Schützen spähen nach der Palette, die den Treffer anzeigt oder wie ein umgekehrter Pendel schwingend die „Brosse“ meldet.

Büchsenknall ist ein Wort, das in der deutschen Sprache als Künder von Lust und Frohsinn Heimatberechtigung hat. Wenn es irgendwo in einem Lied heißt, daß die Büchse knallt, so weiß man, daß sich die Schützen freuen und sogar auf den Zuhörer in Flur und Wald soll der Knall eine erheiternde Wirkung ausüben. Wir denken eben anthropozentrisch und kümmern uns nicht darum, was Hirsch und Reh und Wildsau beim Knall der Büchsen empfinden.

Es gibt nur einen Fall, in dem der Büchsenknall ohne blutigen Beigeschmack ist und kein Lebewesen sich davor zu entsetzen braucht.

Dieser Fall ist augenblicklich in Kreuzgründchen während des Preisschießens gegeben. Er bildet in seiner Art ein Gegenstück zu der Mützenjagd der Jäger von Tarascon. Es werden in keine Menschenoder Tierhaut, sondern nur in mehr oder weniger große Pappdeckel Löcher geschossen. Immerhin bleibt es sonderbar, daß sich diese Vorbereitung auf Mord und Totschlag als öffentliche Belustigung in unsern Sitten erhalten konnte. Wir sind ja alle miteinander die denkbar friedsertigsten Bürger, aber wer schießen lernt, denkt letzten Endes doch an den Ernstfall, also ans Blutvergießen, und daß wir das als Anlaß zu allerhand Erlustierung benutzen, beweist, was wir im Grund des Herzens noch für Barbaren sind.

Machen wir uns nicht besser, als wir sind, haben wir den Mut unserer Barbarei, strömen wir scharenweise in die „Schieß“. Man braucht dort nicht grade zu schießen, man kann sich auch mit Tanzen und Flirten im Interesse der guten Sache nützlich machen. Aber wer nicht schießt, verzichtet auf ein Vergnügen, das dem wehrhosten Jüngling und Mann wohl ansteht. Beim Schießen haben wir in erster Linie, wie bei jedem Sport, die Freude am Geschirr. Die Freude am Geschirr ist ein Vorrecht des Mannes. Den Schützen erkennt man an der Wasse. Was ein rechter Sebastiansjünger ist, der geht mit seiner Büchse schlasen - bildlich, natürlich. An dem Tage, wo die Büchse im Spiegelglanz ihrer Seele einen Rostflecken aufwiese, bekäme der Schütze Selbstmordgedanken. Ich weiß nicht, wie es heute ist, aber die alten Schützen gossen ihre Kugeln und verfertigten ihre Patronen selber. Auf ein Milligramm genau mußte jede dieselbe Ladung erhalten. An den Abenden vor einem Preisschießen roch es im Haus des Schützen nach geschmolzenem Wachs und Rindertalg, womit er seine Kugeln fettete. Und jede Patrone wurde zärtlich in den Kasten getan, denn bei jeder konnte der Schütze denken: Die trifft den Nagel! Und nach Nächten voll von Träumen, in denen der Schütze ausnahmslos ins Schwarze traf, kamen Tage des Hangens und Bangens, wo man mit einer besten Serie an die Spitze gelangt war und nicht wußte, ob einen nicht in der nächsten Minute der Bodson oder der Fonck oder sonst ein Räuber herunterschösse.

Kindliche Freuden, nicht wahr?

Aber sind es nicht solche Freuden, die unsere Jugend braucht, um wieder jung zu werden?

TAGS
  • Sport
KatalognummerBW-AK-013-2972