Original

31. Juli 1925

In einem Brüsseler Blatt führte kürzlich ein hiesiger Korrespondent, allem Anschein nach ein Belgier, bittre Klage über das, was er das übertriebene Liebeswerben Frankreichs in Luxemburg nannte. Es war ihm nicht recht, daß so viele französische Vereine nach Luxemburg singen, musizieren und turnen kommen. Er sah darin einen unlauteren Wettbewerb um unsere Gunst und ein hinterhältiges Benehmen Frankreichs gegen Belgien.

Man fragt sich: Was glaubt dieser Korrespondent wohl, daß französischerseits hiermit bezweckt wird - vorausgesetzt, daß wirklich mehr französische als belgische Vereine nach Luxemburg kommen und um unsre Sympathien werben? Es kann doch wohl nur aufs Gefühl abgesehen sein, denn praktische Folgerungen wären aus Sympathien, die auf solche Welse erworben werden, kaum zu ziehen. Der Luxemburger muß bei solchen internationalen Eifersuchtsausbrüchen das unklare Empfinden haben, daß sich die da draußen allerhand vorstellen, was ihm nie in den Sinn kommt Sagen wir es klar heraus und frei von der Leber: Zwischen den Zellen jener Korrespondenz aus Luxemburg steht überall das Wort „Annexion“. Der Versasser scheint sich vorzustellen, durch den Austausch von Höflichkeiten und allerhand Floskeln und Medaillen bei Vereinsausflügen lasse sich auf die Dauer das Terrain für einen endgültigen Bund vorbereiten.

In diesem Betracht können wir ihn beruhigen. Wir sind not for sale, und welches auch unsre Sympathien für Frankreich, Belgien, Deutschland, England, Amerika, Japan, Polynesien und den Mond und den Mars seien, der Refrain unseres „Feierwon“ bleibt immer wahr: Mir wölle bleiwe wat mir sin!

Nun, da dies schwarz auf weiß auf dem Papier steht, will es etwas naiv scheinen, etwas patriotisch bramarbasierend und etwas überflüssig. Aber es gibt draußen Leute, die es immer noch nicht zu verstchen scheinen und bei denen die Eifersucht auf andre die Lust und die Hoffnung verrät, selber einmal derjenige welcher zu sein. Darum mögen diese Selbstverständlichkeiten immerhin von Zeit zu Zeit wiederholt werden, sei es auch nur, damit einzelne unsrer Landsleute auch wieder daran erinnert werden, daß weder Paris noch Brüssel noch Berlin die Hauptstadt von Luxemburg sind.

Wenn die beiden Nachbarn, die jetzt für uns in erster Linie in Betracht kommen, wirklich sich um uns verdient machen und uns von ihrem Wohlwollen überzeugen möchten, so haben sie dafür die wunderbarsten Gelegenheiten. Reden, Orden, Bankette und dergleichen machen ja nicht übel in der Landschaft, aber sie sind billig, wie Brombeeren. Frankreich könnte zum Beispiel durch großmütige Regelung gewisser Kriegsentschädigungsfragen beweisen, daß unsre Sympathien ihm mehr als Worte wert sind. Von Belgien gar nicht zu reden, es bräuchte sich nur aufrichtig in die Rolle des Stärkeren dem Schwächeren gegenüber zu denken und die Konzessionen zuzugestehen die der Stärkere immer zugesteht, wenn er beim Schwächeren nicht in den Verdacht kommen will, daß er seine Stärke mißbraucht.

Aber warum? - werden Sie fragen - warum sollen denn Frankreich und Belgien uns gegenüber solche Liebenswürdigkeit herausbeißen, wenn sie nichts dafür als Gegenleistung einheimsen sollen, d. h. nichts als unsere Sympathien, für die sie sich im Ernstfall nichts kaufen können?

Ja, maine Herren, warum gibt es noch Phantasten die daran glauben, daß auch Völker andern Völker gegenüber die schöne Geste finden, das Rechte zu tun ohne an einen Gewinn zu denken, der sich nach Quadratmeilen berechnet?

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