Original

4. August 1925

Man hört zurzeit viel Schlechtes von dem Jahr sagen, in dem wir zurzeit leben.

Die Jahre sind wie die Gesichter der Menschen. Wir hören von der Witterung in den äquatorialen Gegenden und denken, dort gletche ein Jahr dem andern, wie wir der Meinung sind, ein Schwarzer sehe aus, wie der andre. Dies ist so falsch, wie jenes.

Die Gesichter der Weißen sind für unsern Begriff untereinander so verschieden, daß es schlechterdings unmöglich wäre, zwei zu finden, die vollkommen übereinstimmen. Wir erleben sogar, daß Leute, die sich ihr ganzes Leben damit beschäftigen, ein Gesicht nach dem Vorbild eines andern zu schaffen, dies nicht zuwege bringen. Darum sind so viele Porträts, selbst von berühmten Malern, dem Original so unähnlich. Und Sie wollen, daß dem Zufall gelinge, was gelernte Maler nicht fertig bringen!

So unmöglich es ist, zwei absolut gleiche Gesichter zu entdecken, so unmöglich ist es auch, zwei Jahre zu finden, die genau auf einander abgepaßt sind. Allerdings, eine Rase mag einmal genau sein, wie eine andre. Und der August eines Jahres mag Tag für Tag dieselbe Witterung bringen, wie der August eines andern Jahres. Ich nenne den August, weil ich ihn als die Nase im Gesicht des Jahres ansehe. Wie die Nase dem Gesicht sein Relief und seinen Charakter gibt, so ist mir der August der Monat, von dem in erster Linie die Physiognomie des Jahres abhängt. Wahrscheinlich weil ich serienhalber am meisten Wert auf die Augustwitterung lege.

Ich traue der Nase dieses Jahres 1925 nichts Besonderes zu. Das ganze Johr war bis jetzt ohne viel Charakter, ein unbeständiges auf und ab und hin und her mit allerhand Grippe-Ausschlägen und Frostbeulen. Die Aachener Wetterwarte kommt nicht los von der ominösen Formel: Ausheiterung, strichweise Regen. Immer gemischt, nie offen heraus gut oder schlecht. Ein Wetter wie ’n Säuglingspopol sagen sie in Grevenmacher, aber natürlich in andrer Form. Seit Wochen ist das Wetter regnerisch. Das ist die schwärzeste Niedertracht, mit der uns der Wettergott ärgern kann. Regnerisch! Das ist nicht Fleisch und nicht Fisch. Es fällt ab und zu ein bißchen Regen, grade genug, um Dir die Laune oder Deiner Frau ihren neuen Hut zu verderben, aber dabei bringt es der Pluviometer auf keinen halben Zoll Riederschlag, die Bäche und Brunnnen sind am Versiegen, in Wiltz legen sie sich bereits die Häuser voll Spa und Echternach, um genügend Waschwasser zu haben und in Clerf plombieren sie den Leuten die Badewannen, damit die Wasserleitung nicht leer läuft.

Wir stellen uns die Meteorologie vor als ein Instrument, das sich der liebe Herrgott in Feierabendstunden zurechtgebosselt hat, wie Meister Holzknuet sein Fagott, und auf dem er nicht ordentlich spielen gelernt hat. Dies Jahr besonders spielt er beständig falsch, fällt aus einer Tonart in die andre, schüttet das Wasser nicht aus dem Instrument und läßt es ruhig blubbern - - so denten wir uns wenigstens die Sache. Aber wir können uns täuschen. Es kann Dir passieren, daß Du Dich bei einem Mann, der landwirtschastlich denkt, über das Wetter beklagst und er antwortet Dir entrüstet, Du seiest ein verständnisloser Stadtfrack und ein besseres Werter könne für die Bauern gar nicht erdacht werden.

Am Ende spielt der da droben sein Instrument doch noch besser, als wir es uns vorstellen?

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  • weather - August det. year
KatalognummerBW-AK-013-2981