Original

24. September 1925

Da wir nun einmal in Sachen Jagd und Jäger a gesogt haben, wollen wir auch b und vielleicht sogar c sagen.

Die Jagdversteigerungen, wie sie unter dem neuen Gesetz durch die Syndikate stattfinden, sind jedenfalls eine neue und durchaus moderne Erscheinung im Jahraus und Jahrein unseres köndlichen Kulturlebens.

Bisher gab es die Grundgüter-, Möbel-, Gras-, Vieh-, Obst-, Fischereiversteigerungen usw. Aus einer jeden davon ließ sich ein Kapitel für einen luxemburger Bauernroman bauen: der Notar, der Rotarschreiber, der Ausrufer - zumal der Ausrufer! -, die „Versteiglasser“ (eines der wunderbarsten Wörter, die je in einer luxemburger Notarstube geprägt wurden, ein Wort, das in der Lexikologie ungeahnte Perspektinen eröffnet), die Ansteigerer und die Zuschaner. Eine Versteigerung war früher auf dem Dorf wie eine Kindianfe für die Großen. Es gab Freiwein und Freibier, zum Animieren der Kundschaft, und manch einer, der niemals daran gedacht hatte, seinen Grundbesitz zu erweitern, erwachte andern Morgens mit einem formidabeln Brummschädel, um von seiner Fran unter einem Sturzbach von Lump und Sausaus und Rindvieh zu erfahren, daß er gestern für dreitausend Franken ein Ackerslück erwarben hatte, das er nicht brauchte und das nicht die Hälfte wert war.

Die neue Sorte von Versteigerungen sticht gegen die bisherigen in mehr als einem Punkt erheblich ab. Erstens ist kein Notar und kein Ratarschreiber da. Der Syndikatsvorstand mit dem Gemeindesekretär amtiert selber und der Bannhüter lenkt die Angebote.

Auch die Ansteigerer unterscheiden sich von der Menschengattung, aus der sonst auf dem Dorf sich die Liebhaber für die einzelnen Artikel rekrutieren. Hier sind meist solche von der Sonnenseite des Lebens; aus dem Dorf selbst die dicksten Bauern, die ohne Gewissensbisse draufkossteigern können, weil der Erlös aus der Jagdverpachtung zum größten Teil wieder in ihre Taschen sließt; aus der Stadt die Herren, die Geld verdienen wie Heu, heißt es, obgleich von dem einen oder andern darunter gemunkelt wird, er werde seinen Pachtschilling keine neun Jahre hindurch bezahlen; und dann die stillen Teilhaber alle, die nicht mitsteigern, aber später mitjagen werden; und die männliche Dorfeinwohnerschaft im Sonntagsgewand, und der Herr Pastor, der, zumal im Ösling, auch aktiver Jäger ist und den Bann aus langjähriger Praxis kennt, wie kaum einer. Und fünf, acht, zehn Automobile von allerhand Marken stehen um das Vereinslokal, in dem die Hauptinteressenten schon seit einer halben Stunde warten, denn man weiß nie, ob die Herren vom Syndikat nicht auf die Minute anfangen.

Es genügt, daß unten einer den Anstoß gibt, so bequemt sich alles langsam die Treppe zum Gemeindesaal hinauf. Niemand weiß, ob auf etwas und jemand und auf was und wen gewartet wurde. Vielleicht finden noch allerhand Kuhhändel statt, aber das ist eine heikle Sache, man weiß nie, ob einem der Partner nachher nicht in die Hand spuckt und das Los behält, das ihm nur zum Schein überlassen merden sollte.

Der Gemeindebote stößt mit seinem Krückstock auf den Fußboden und die Kanonade beginnt. Erst allmählich, dann lebhafter, dann wieder in langen Abständen. Man beobachtet sich, wie aus Unterständen heraus. Allerhand wird dem Verlauf der Ungebote entsprechend umkombiniert. Der Gemeindebote markiert die größeren Etappen, indem er die Ziffern auf französisch wiederholt. Manchmal verkündet er auch eine falsche Zahl und wird unter der Heiterkeit der Korona wieder ins richtige Geleise gewiesen.

Und dann kommt der Theatercoup. Die Jagd wird nicht dem Meist- sondern dem Drittbietenden zugeschlagen.

Man kann damit rechnen, daß diese Versteigerungen mit der Zeit in eine große Farce ausarten werden, grade infolge dieser Bestimmung, die dem Syndikatsvorstand die Wahl zwischen den drei Meistbietenden freistellt. In der Praxis verläuft die Sache so, daß die Leiter des Geschästs bestimmen, wann das Bieten aufhört: Noch fünf Minuten - noch eine Minute. Der Arizius hat 5000 geboten, der Berizius 4000, der Cerizius 3000. Der Syndikatsvorstand macht schleunigst Schluß und gibt dem Cerizius die Jagd, weil seine Rase ihm am besten gesällt. Eine Sekunde später hätte der Derizius 6000 geboten und der Cerizius wäre leer ausgegangen. Es ist gar nicht abzusehen, was sich mit dieser freien Wahl des Ansteigerers noch alles kombinieren und austifteln läßt.

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KatalognummerBW-AK-013-2989