Original

27. September 1925

Die Tragik im Schicksal unserer Moselwinzer läßt sich allgemach auf die Formel bringen: Erstens kauft ihnen niemand Wein ab; zweitens haben sie keinen Wein.

Denn das scheint nunmehr festzustehen, daß sie sich dieses Jahr das Lesen sparen können. Das Schauergebilde von Traubenbehang, das man um diese Zeit in den Rebbergen vorfindet, schließt die Vorstellung eines irgendwie trinkbaren Weines vollständig aus. Mit dem Vertrösten auf bessere Jahre ist den armen Leuten auch nicht geholfen. Sie sind nicht so gestellt, daß sie vier Mißjahre nacheinander aushalten können. Und als Mißjahre müssen allmählich alle Jahre gewertet werden, die einen ungenießbaren Krätzer liefern, ob auch alle verfügbaren Fässer davon voll werden. Seine „Veredlung“ muß einer Weiterverarbeitung durch den Handel überlassen werden, und es werden Fälle genannt, wo sich einzelne an diesem Geschäft bereichert haben. Für den Winzer aber stellt dies Produkt schon lange nicht mehr die marktgängige Ware dar, die ihren Mann ernährt, wie Getreide, Kartosseln und andere Bodenerträge.

Es ist darum eine Binsenwahrheit, daß von der derzeitigen Weinbaufläche ein großer, wenn nicht der größte Teil die Arbeit und das Geld des Winzers ahne entsprechende Gegenleistung verschlingt.

Die logische Schlußfolgerung wäre, daß dieser Teil, wo es möglich ist, dem gewöhnlichen Ackerbau zurückgegeben würde, dem er früher gehörte, bis die Aufnahmefähigkeit des deutschen Weinmarktes den Rebbau auch in minderwertigen Lagen rentabel machte.

Man kann aber auch die Frage stellen, ob es über dem eigentlich landwirtschaftlichen Betrieb für diesen Teil des unrentabel gewordenen Weingeländes nicht eine Bebauungsart gäbe, die mehr abwürfe, und die ganz speziell dem Klima und der Bodengestaltung des Uferlandes unserer Mosel entspräche.

Die Antwort auf diese Frage liegt in aller Mund: Obstbau. Das Moselobst genießt im ganzen Land einen solchen Ruf, daß es jede Konkurrenz aushielte.

Vom Obstbau zur Bereitung eines angenehmen, bekömmlichen Trankes ist aber nur ein Schritt. Dies könnte ein Trank sein, der sich überall viel leichter und allgemeiner einbürgern würde, als der Durchschnittsgrächen. Es ist leider Tatsache, daß an der Mosel selbst der Weinkonsum der Konkurrenz des Bieres sast allgemein hat weichen müssen, das weniger berauscht und Zunge und Gaumen mit seinem Prickeln irischer berührt, als der Säuerling der meisten Weinjahre.

Tun wir nun, vorläufig in der Phantaste und in dem dringenden Wunsch, der Mosel wieder auf die Beine zu helsen, einen Schritt weiter und stelten wir uns vor, es gelänge, aus Moselapfelwein einen schäumenden, halb süßen, halb herben Trank zu bereiten, wie er zum Beispiel in der Normandie verschenkt wird: So ändert sich mit einem Schlag das Bild. Wo heute die Rebe zwecklos die Hänge hinauf steht, stände Apfelbaum an Apselbaum. Der Boden lieferte außerdem einen Zuschuß an Futter. Die Vitriol- und Schwefelspritze könnte Gottseidank ungebraucht in einer Ecke verstauben und verrosten, die unsäglich mühsame Arbeit des Winzers ginge auf ein Minimum zurück, die Rebschädlinge gehörten ins Fabelreich, die Gefahr des Erfrierens und der Mißernte wäre bei rationeller Pflege der Bäume ungleich geringer, der moussierende Moselviez würde getrunken, wo heutzutage der Grächen kaum noch dem Ramen nach bekannt ist, die Leute könnten davon nach Herzensluft trinken und einen lustigen Schwips nachhause tragen, ohne sich sinnlos zu bekneipen, kurzum, die Reihe der Vorteile wäre unabsehbar.

Will nicht ein junger Moselaner den Versuch machen, sich ein paar Jahre in die Normandie verdingen, von dort die jungen Bäume und womöglich eine dits Frau mitbringen und, bis die Bäume tragen, mit gekauften, eventuell aus der Normandie oder sonstwoher bezogenen Äpfeln einen Anfang machen?

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