Ein mir befreundeter englischer Sportsmann, der im Nordosten unseres Ländchens sein Fischerei-Hauptquartier aufgeschlagen hat, stellt mich vor ein psychologisches Problem.
Er schreibt mir: „Sie müssen mir bitte sagen, warum Folgendes geschah. Ich fischte gestern in einer Wiese, in der eine Frau drei oder vier Kühe hütete. Über eine derselben hielt sie ihren Regenschirm. Ich nehme an, diese Kuh hatte den Husten. Grade, als ich in ihre Nähe kam, bekam ich Anbiß und landete einen dicken Fisch. Er war zwölf Zoll lang. Sie sah mir zu, wie ich ihn herandrillte, und als ich ihn fast hatte, bot ich ihn ihr an. Sie wollte ihn nicht nehmen. Wiederum bot ich ihn an und wiederum schlug sie ihn aus. Sie war nicht bös, sah auch nicht aus, als ob ich sie belästigte, aber sie wollte einfach meinen schönen Fisch nicht haben.
Als ich später auf dem Nachhauseweg wieder an ihr vorbeilam, während sie ihre Kühe über die Straße heimtrieb, sagte sie etwas - ich nehme an, es war „Guten Abend“ - und lächelte mir freundlich zu, woraus ich also schließe, daß ich sie nicht beleidigt hatte.
Aber warum wollte sie den Fisch nicht nehmen? Es war so ein schöner Dicker!“
Ich unterbreite die Frage den Lesern, die für ländliche Pche Interesse haben. Es bestehen allerhand Möglichkeiten.
Eine erste wäre zum Beispiel die, daß die Frau an dem Ernst des Fischers zweifelte und sich sagte: Dieser fremde Mann sieht zwar sehr freundlich aus und er reicht dir da einen Fisch, den du dir auf den Abend lecker backen könntest, aber er ist imstand, wenn du zugreifst, zieht er sein Geschenk hohnlachend zurück, sagt heß och! und fährt dabei mit dem Zeigefinger unter der Nase her. Und dann bist du blamiert:
Zweite Möglichkeit: Die Freu hat zuhaus einen zahlreichen Haushalt und weiß, wenn sie mit dem einen Fisch käme, der für einen zu viel und für alle zu wenig wäre, so gäbe es Streit in der Familie. Und so viel ist ihr der fremde Mann nicht wert, darum gibt sie ihm einen Korb.
Oder so: Sie hat zuhaus einen Mann, der selber fischen geht und ihr mehr Fische ins Haus bringt, als sie zu putzen Lust hat. Und grade gestern hatte er so viele, daß sich das ganze Haus daran übernommen hat, und daß sie schon seit vierundzwanzig Stunden meint, die ganze Schöpfung rieche nach Fisch und kochendem Öl.
Dann kommt die diskretere Frage nach dem Alter der Frau. Zur Kuhhut eignen sich bekanntlich weibliche Personen im Alter von acht bis achtzig Jahren. Mein Freund der Sportsmann steht im besten Mannesalter. Geietzt die Frau in der Wiese sei „ein niedliches Mödchen, ein junges Blut“ gewesen: So lag es in der Natur der Dinge, daß sie an einen Annäherungsversuch glauben mußte. Hätte sie klassische Bildung besessen, so wäre ihr der Fisch als eine Art trojanisches Pferd erschienen, das der schlaue Belagerer benutzen wollte, um unbemerkt in die Festung zu gelangen. Und so leicht wollte sie es ihm nicht machen.
Die Frau mit den drei Kühen und dem Regenschirm, die dieser Tage im Nordosten des Landes einem fischenden Engländer begegnete, hat totsicher keine Ahnung davon, daß sie sich zum psychologischen Phänomen ausgewachsen hat.
Vielleicht wäre das Klügste, sie selber zu fragen, warum sie den Fisch nicht genommen hat. Und höchst wahrscheinlich würde sie sagen: „Weil ich nicht gern Fische esse, zumal wenn ich sie selber putzen und hacken muß!“