Original

4. Oktober 1925

Ich fuhr im „Jangly“ von Redingen nach Nörbingen.

Als unterwegs der Schaffner, ein freundlicher Mann in den besten Jahren, die Fahrkarten knipsen kam, machte er bei mir extra Halt, erhob den Zeigefinger halb warnend und halb verweisend und sagte: „Maacht alt e wineg lues mam Fömmen.“

Jetzt erst kam mir zum Bewußtsein, daß ich eine Pfeise im Mund hatte und gewohnheitsmäßig daran sog. Die Folge waren die bekannten Rauchwolken. Sie hatten mich dem Schaffner verraten.

Er machte mich schonend darauf aufmerksam, daß dies ein Nichtraucher-Abteil und daß nebenan das Rauchen erlaubt war, daß aber seltsamerweise dort kein Mensch saß.

Ich erbot mich, meinen Kloben auf der Plattform oder im Nebenabteil fertig zu rauchen, aber er meinte, so schlimm sei es doch auch nicht, und schwang sich einen Karren weiter.

Ich frug mein Visavis, ein junges Mädchen mit schwarzbraunen Augen, ob sie das Rauchen nicht belästige. Sie sand die Frage komisch und winkte nein. Ein Bauernfrauchen, der ich alsdann mit einem Fragezeichen im Blick meine Pfeife entgegen hielt, sagte auch etwas, das bedeutete, es sei ihr völlig egal, ob ich rauchte oder nicht.

Und dann erst sah ich, daß ihr Mann, der neben ihr saß, mächtige Rauchwolken einer schief brennenden Zigarre entpumpte und daß in der Ecke ein Seminarist lachend an seiner Zigarette weiter schmauchte.

Den beiden hatte der Schaffner keine Vorhaltung gemacht, weil sie während seiner Anwesenheit im Wagen ihre Ranchobjekte verborgen gehalten hatten.

Ich wußte nicht, ob ich als fügsamer Bürger, der sich willig der Obrigkeit und dem Gesetz beugte, stolz sein sollte auf das gute Beispiel, das ich den Mitreisenden gegeben hatte, oder ob mich die größere Schlauheit und Anpassungsfähigkeit der andern Raucher beschämen sollte.

Mir fiel die Geschichte von jenem andern Schaffner ein, den ein Reisender fragte, ob er in seinem Abteil rauchen dürfe. - „Selbstverständlich nicht!“ beschied ihn der Schaffner. „De steht doch: Rauchen verhoten!“ - Meinte der Reisende: „Von wem sind denn aber die vielen Zigarrenstümpfe, die auf dem Boden liegen?“ - „Von denen, die nicht gefragt haben.“

Und als ich weiter meinen Gedanken folgte, schweiften sie bis nach Clerf ins Hotel Koener, wo im Herrenstübel über dem Tisch, an dem die Stammgäste ihr Spielchen zu machen pflegen, der Spruch eines alten Philosophen prangt, dessen Geist dort noch heute umgeht: „Das Spiel ist nicht für die Dummen!“

Das Leben auch nicht.

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  • train trip - smoking
KatalognummerBW-AK-013-2998