Es gibt in der Geschichte berühmte Hunde, wie es berühmte Menschen gibt. Cäsar, Alexander, Hannibal und Rapoteon haben ihre vierbeinigen Gegenstücke, die zuweilen sogar selbst auf den Namen Cäsar hörten.
Einige dieser geschichtlich rubrizierten Hunde sind durch sich selbst, andere sind durch Menschen berühmt geworden. Die Berühmtheit der ersten Sorte war für sie die vorteilhaftere. Der Hund des Alcibiades zum Beispiel kam in die Historie, weil ihm sein Herr den Schwanz abgeschnitten hatte. Hätte man den Hund gefragt, er hätte totsicher auf Ruhm und Unsterblichkeit verzichtet und lieber seinen Schwanz behalten.
Dagegen hat sich der Stammvater der Bernhardiner ganz aus eigener Kraft und Veranlagung berühmt gemacht.
Das Berühmtwerden unter den Menschen ist heute schwerer, als früher, weil es immer schwerer wird, über das allgemein gehobene Niveau hinauszuragen und weil sich der Sinn der Menschen für Götzenverehrung stark abgeschwächt hat. Vor hundert und mehr Jahren hätte eine Weltlage, wie die heutige, zweifellos ein Genie zur Reife gebracht, das den Karren mit Gewalt aus dem Sumpf gezogen hätte. Heute lassen die unzähligen Gescheiten kein Gente mehr an die Front.
Unter den Hunden aber ist es anders. Die werden heute leichter berühmt, als früher, weil sie eben nicht vorm eigenen Geschlecht, sondern vor den Menschen sich hervorzutun haben und bei diesen nicht gegen Mißgunst und Brotneid ihre Berühmtheit durchsetzen müssen.
Und da ist es zugleich merkwürdig und natürlich, daß die Hunde bei den Menschen grade durch die Tugenden berühmt werden, die unter den Menschen selbst stark im Preise gesunken sind: Liebe, Treue, Anhänglichkeit, Anspruchslosigkeit, Aufopferungsgeist usw. Wie man sieht, alles besondere Formen des Altruismus. Ist er nicht sonderbar, daß das Individuum sich um so krampfhafter auf sich selbst konzentriert, je lauter im öffentlichen Leben der Zug nach Gemeinschaft, Vergesell- schaftung, Gewerkschaft, Kooperative usw. betont wird! Alle für einen, einer für alle! Das gilt heute wohl nur noch für die Feuerwehr. Sonst heißt die Losung. Jeder für sich!
Wer als Hund berühmt werden will, braucht sich nur als leuchtendes Beispiel jener Tugenden aufzuspielen, deren Kursrückgang wir eben feststellten.
Zum Beispiel Rintintin, der wundervolle Wolfshund. Andere berühmte Hunde kennen wir nur aus Büchern, so den heldenmütigen Buck, dessen Blographie Jack London in «The Call of the Wild» erzählt. Mit Rintintin können Sie in diesen Tagen persönlich Bekanntschaft machen. Denn er ist ein Kino-Held und stellt als solcher Douglas Fairbants und Jacky Coogan weit in den Schatten. Diese haben vor ihm nur die Sprache voraus, und die ist auf dem Film ausgeschaltet. In allem übrigen ist ihnen Rintintin haushoch über. Tugenden, wie sie oben aufgezählt, sind im Verein mit akrobatischer Leistung und rührender Mimik bei Rintintin zum Höchstmaß gesteigert. Man verläßt die Vorstellung mit dem heißen Wunsch, dies treue, gute, kluge, unübertreffliche Tier in seine Arme zu schließen. Und mit dem weiteren Wunsch, - nicht vielleicht, daß man selbst so treu und gut und aufopfernd und verzethungsbereit wäre, sicher aber, daß alle andern Menschen so wären, wie dieser Hund Rintintin.