Original

16. Oktober 1925

Der Herr aus den Niederlanden, der kürzlich beim Umtausch seiner Gulden so schlecht wegkam, wird zuhaus erzählen können, daß er hier einen Sturm im Glas Wasser erregt hat.

Es war vor einigen Tagen an dieser Stelle über sein Mißgeschick berichtet. Zwischen dem gestrigen Kurs von 8.96 und dem heutigen von 8.99 waren ihm seine Gulden zum Zwischenkurs von 8.80 getarscht worden.

„Ein Schalterbeamte einer kleinen Bank“ scheint sich getroffen zu fühlen und liest mir ein Privatissimum über Zwischenkurse. Er schreibt einem hiesigen Blatt:

„Für einen Schalterbeamten ist nichts schwieriger und eventuell verhängnisvoller wie der An- und Verkauf von Devisen in den Stunden, wo die offiziellen Meldungen der Kurse noch nicht eingelaufen sind. Um eigene Schädigungen zu vermeiden und den Kursschwankungen Rechnung zu tragen, muß er einen Vorkurs anwenden, auf den er in jedem Falle den Klienten aufmerksam machen muß und es auch tut. Es hängt nun lediglich von dem Klienten ab, diesen nichtoffiziellen Kurs anzunehmen, oder das Geschäft bis zum Einlauf der ersten Wörsenkurse, gegen 10½ Uhr morgens, hinauszuschieben. Gewinnt er dann dabei, so freut er sich heimlich über das gute Geschäft, verliert er aber, so ist er, wie es in dem besprochenen Geschäfte der Fall zu sein scheint, dem Beamten, der das Wechselgeschäft vermittelte, gram und möchte ihn nachträglich, wenn es ginge, für den eigens verschuldeten Verlust verantwortlich machen. Ein solches Raisonieren ist sehr billig und könnte in allen Fällen als ein Universalmittel angewandt werden.

„Hätte umgedreht der Schalterbeamte einen Kurs angewandt, der später für ihn einen Verlust gebracht hätte, so wäre der Klient höchstwahrscheinlich nicht so zartfühlig gewesen, um dem Beamten durch die Zurückzahlung der Disserenz einen schweren Verweis zu ersparen. Man kann diese Angelegenheit von verschiedenen Seiten anfassen und diskutieren, sie wird immer auf dem Prinzip „Geschäft ist Geschäft“ fußen.“

Nun möchte ich nur noch eins wissen. Dieser Vorknrs, den der Schalterbeamte anwendet, „um eigene Schädigungen zu vermeiden und den Kursschwankungen Rechnung zu tragen“ - wie stellt der Schalterbeamte diesen Vorkurs oder Zwischenkurs fest? Ich habe mir sagen lassen, daß die Banken jeden Abend im Besitz der letzten Kursberichte sind. Diese dienen also höchst wahrscheinlich als Grundlage für die Berechnung des Vor- oder Zwischenkurses. Wenn nun an einem Vormittag der Gulden 8.96 und am folgenden Vormittag 8.92 stand, so war er am Abend des ersten Tages, zwischen 8.96 und 8.99, schwerlich so weit gefallen, daß ein Zwischenkurs von 8.80 nötig gewesen wäre, um dem Schalterbeamten „eigene Schädigungen und einen schweren Verweis zu ersparen“.

Wenn ihn trotzdem der Schalterbeamte angewandt hat, so hat er darin wohl jenes Universalmittel erblickt, das einen unter allen Umständen nicht nur vor Schaden bewahrt, sondern auf die Dauer sogar zum wohlhabenden Mann machen kann.

Wer sich erkundigt, wird finden, daß dies Universalmittel in so kräftiger Dosierung doch nicht überall angewandt wird, und wird demgemäß die Schalter auswählen, an denen er seine Gulden oder sonstige Devisen tauscht.

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    Katalognummer BW-AK-013-3008