Es ist zuweilen nicht ohne Interesse, wie die jungen Berliner Schmöcke und Holzböcke auf Luxemburg reagieren. Berlin ist die Großstadt, in der am wenigsten Weiteweltrhythmen pochen. Wenn der Berliner nach auswärts verpflanzt wird, ist er ein wenig beleidigt, daß da nicht alles ist, „wie bei uns zehause“: Massig, rechteckig, aufgegeilt. Ist er gar ein Schmock und Holzbock, so liest er denen da draußen überlegen das Kapitel.
Die stärkste Befremdung in dieser Richtung bemächtigt sich des Berliner Schmocks und Holzbocks, wenn ihn sein Weg einmal nach Luxemburg führt. Dafür hat er auf einmal kein Schubfach. Sobald er diesseits Wasserbillig ist, weiß er auf die Welt keinen Reim mehr. Auf russisch, französisch, englisch und sämtliche Kulturländer der Erde, auf die Südseeinsulaner gar und die Eskimos hat er in der Schule einen Reim gelernt, aber diesseits Wasserbillig versagt seine ganze Beckmesserei, er fühlt sich aufgeschmissen, ohne Widerhall, in einer Fremde, auf die niemand und nichts ihn vorbereitet hat. Und tiefer, als je, empfindet er es als eine Beleidigung, daß hier nicht alles ist „wie bei uns zehause“.
Im Bestreben, mit der Schnauze immer vorne weg zu sein, sich ja nicht verblüffen zu lassen, sich aber auch nicht voreilig zu blamieren, sucht sich der SchmockHolzbock Heine’sch aus der Affäre zu ziehen, mit verdünnter Ironie, mit feinlippigem Spott, der nachher immer sagen kann, er sei es nicht gewesen.
Ende September scheint wieder einer hier gewesen zu sein. Er hat seine Erlebnisse dem Feuilletonredakteur der „Berliner Morgenpost“ angedreht. Meine Leser werden mir für eine Blütenlese aus seiner Prosa Dank wissen.
Er beginnt gleich mit der Feststellung:
„Eine sagenhafte Stadt ist das. Die meisten Menschen sind noch nicht dort gewesen, und wer da war, will nicht wieder weg.“
Da ist es ein wirkliches Glück, daß die meisten Menschen noch nicht hier gewesen sind. Schon allein die Wohnungsnot!
„Schon an der Grenze wirst du beobachten, daß die neu eingeführte Muttersprache der Luxemburger sich ganz im Rahmen deiner Quartakenntnisse bewegt. Sie entstand nämlich durch Volksabstimmung vor einigen Jahren erst.“
Und diese verdammten luxemburger Sprachforscher wollen uns einreden, unsere Muttersprache sei älter, als alle Schriftsprachen Europas!
„Der Bahnhof ist eine bessere Sternwarte. Er hat einen hohen, sechseckigen Turm für die Uhr. Warte nur! Bei klarem Wetter Fernblick bis auf den Eiffelturm!“
Weiter: „Straßenbahn fuhr ich nicht, es sind mißtrauenerweckende Gefährte. An schlohweißen Regierungsgebäuden kam ich vorüber, - „so große Ministerien für so ein kleines Land!“ dachte mein sparsames preußisches Herz!“
„Bald gelangte ich auf einen Markt, auf dem die unbegreiflichsten Sachen zu den unbegreiflichsten Preisen feilgeboten wurden.“
„Die Großherzogin ist eine schöne und liebenswürdige Frau. Als ihre ältere Schwester vom Thron stieg, stimmte das ganze luxemburgische Volk für sie. Ihr Palast ist eine Art Postgebäude und wird mit blitzenden Augen von zwei Soldaten bewacht. Der kleine Erbprinz fährt im fliegenden Holländer herum und ist beliebt wie Jackie Coogan.“
„Am äußersten Ende der Stadt geriet ich in einen Wald. Eine lakonische Tafel zeigte: „Belle vue!“ Aber es war kein Restaurationsbetrieb mit Aussichtsturm, sondern tatsächlich eine portofreie schöne Aussicht, die man von behaglichen Bänken genießen darf. Außer mir genoß nur noch ein französischer Kapitän. Sein dunkles Auge schweifte über die dunstigen Täler, er lächelte vor sich hin und rief immerzu: „magnifique, superbe, quelle beauté!“ und als er mich bemerkte: „en effet, monsieur, c’est une belle vue!“ In der Tat! Ich mühte meine französischen Vokabeln zusammen und machte das liebenswürdigste Gesicht von der Welt.“
„Auf einer vornehmen Terrasse, eben vor dem Felsengrund speiste ich à la française. Sieben Gänge! In weiche Sessel gelehnt, wurde ich von wortlosen Kellnern bedient.“
„Die Deutschen geben das meiste Trinkgeld und sind doch am wenigsten beliebt.“
„Die Fee im Parfümladen verkaufte mir eine Flasche besten Herrenparfüms und gebrauchte einen verkehrten Konjunktiv von savoir! Da verabschiedete ich mich.“
Also der verkehrte Konjunktiv von savoir hat ihm den letzten Stoß gegeben! Ahnungsloser Engel du!