Original

27. Oktober 1925

In der letzten Nummer der „Luxemburger Weinzeitung“ verleiht der getreue Eckhardt unserer Mosel, Herr J. D., seiner Besorgnis wegen einer hier entwickelten Anregung Ausdruck. Er schreibt:

„Gegen den Vorschlag, statt Traubenwein moussierenden Obstwein zu produzieren, bestehen verschiedene ernste Bedenken. Apfelbäume liefern erst nach einer längeren Reihe von Jahren nennenswerte Erträge. Wovon sollten wir in der Zwischenzeit leben? Würden wir in Jahren mit reichlichen Ernten Absatz der Erzeugnisse zu lohnenden Preisen finden? Würden wir unserm Wein nicht neben dem Bier eine weitere Konkurrenz schaffen?“

Herr J. D. und ich begegnen uns in der wohlgemeinten Absicht, den geplagten Winzern voran zu helfen. Aber wir haben uns - jedenfalls hat er mich nicht ganz verstanden, woran wohl ich selber die Schuld trage. Gemeint war es so:

Im deutschen Zollverein hatte sich unser Weinbau von der Qualität weg nach der Quantität orientiert. Unzählige Hektare waren in Weinbergen angelegt, die von Gott und der Sonne verlassen, nie einen trinkbaren Wein lieferten, sondern jahraus jahrein den Wildling, auf den die deutschen Kellerchemiker ihre schönsten Etikettensaucen pfropften.

Cessante causa cessat effectus. Es fragt sich, ob nach unserer wirtschaftlichen Umschaltung nach Belgien diesem herben Wildling anderweitig ein lohnender Absatz gefunden werden kann - lohnend im Hinblick auf den wachsenden Aufwand an Kosten und Arbeitskraft.

Bis jetzt scheint dies aussichtslos. Wenn man nun diese Rebhänge, auf denen die Trauben selten ganz und leidlich erst gegen Allerheiligen reifen, der Kultur eines früher reifenden Apfels widmete, aus dem sich ein moussierender Apfelwein ähnlich dem berühmten der Normandie gewinnen ließe, so wäre allerlei erreicht. Es wäre Geld und Arbeit gespart, der Boden trüge außer dem Obst auch noch Futter, bei sachgemäßer Pflege wären die Mißernten auf die seltenen Fälle von tödlichem Frost zu beschränken, bei dem Ruf, den das Moselobst genießt, wäre dies Erzeugnis konkurrenzlos, und endlich wäre der neue Trank ein idealer Ersatz für Grächen und Bier.

J. D. fragt, ob wir unserm Wein nicht neben dem Bier eine weitere Konkurrenz schafften? Unserm Wein nicht, wenn es Qualitätswein ist. Und nur den sollen wir zu bauen suchen. Der andre ist im Konsum so weit zurückgegangen, daß ein bißchen Konkurrenz mehr oder weniger nicht in Betracht kommt. Wohl aber könnte der moussierende Apfelwein dem Bier Konkurrenz machen. Und außerdem, eine Konkurrenz, die sich der Winzer selber macht, ist keine.

Über diese Seite der Frage seien die Akten noch nicht geschlossen, da wäre noch ein Ton mit Herrn Professor Edmund J. Klein zu reden. Dieser meint nämlich in einem von Herrn J. D. zitierten Ferienbrief aus der Normandie, seine sämtlichen Landsleute würden für eine Pulle Cidre mousseux sogar unsern Qualitätsmoselwein schnödc stehen lassen. Es kommt darauf an, Herr Professor, was man dabei bezweckt. Aber davon später.

„Wovon sollten wir in der Zwischenzeit leben?“ fragt Herr J. D. - Wovon hat unsre Mosel seit 1921 gelebt?

Es ist erfreulich, daß Herr J. D. die Frage für wert gehalten hat, darüber nachzudenken. Man braucht die Hoffnung nicht aufzugeben, daß irgendwo einmal einer den Anfang macht, sich vorläufig und bis seine Bäume tragen ein paar Waggons geeignete Äpfel aus der Normandie oder sonst woher verschreibt und es mit ein paar Tausend Flaschen versucht. Auf einmal hörst du: Da und da, bei dem Wirte Wundermild, da gibt es einen Äppelschampes, trinkt sich wie Zitz, wirst lustig und mutwillig davon, wie ’n junges Fohlen, kostet nicht mehr, als Bier, ist lauter Natur!

Dann treffen wir uns eines schönen Herbstnachmittags bei einer Pulle Cidre mousseux, Herr D., und bereden den Fall näher, aber nachher trinken wir doch noch eine Flasche Einundzwanziger „Qualitätswein“.

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