Wenn die Monate Farben hätten, so wäre der Oktober bunt, wie ein Hahnenschweif. Der braune Herbst, sagten die Romantiker, und bewiesen damit, daß auch Dichter farbenblind sein können. Der Oktober ist der bunteste Monat im Jahr, in ihm sollte man Karneval seiern. Denn er feierte mit .......
Ich entdecke, daß ich eine Dummheit geschrieben habe. Was wir als bunte Feier und farbenklingende Lebensbejahung deuten möchten, ist Niedergang, ist ein Sterben in Schönheit, aber doch ein Sterben.
Alles ist relativ. Rot ist uns die Farbe blutdurchpulsten Lebens, sieht einer von uns grün aus, so gehört er auf den Seziertisch. In der Welt der Bäume ist grün die Farbe des Lebens, Rot ist Erblassen. Aber wir empfinden unsre Reaktion auf Farben in das große Sterben des Herbstes hinein und sehen eitel Leben und Hochzeit.
Ich denke an eine Oktoberwandrung die Sauer entlang von Göbelsmühl nach Heiderscheidtergrund. Die Büsche brannten rot, die Sauer brannte blau, die Felsen waren bunt von Moos und Flechten. Und abends in Clers blinkten die Pflastersteine vom Firnis des Taues, den die Kühle auf sie niederschlug. Man sollte jedes Jahr einen der wunderbaren Oktobertage im Rucksack der Erinnerungen mit als Wegzehrung in den Winter nehmen.
Wir haben es hier ja so leicht. Wir brauchen nicht bis ins Ösling zu fahren. Keine Stadt ist so, wie Luxemburg, von Herbstschönheit umblüht. Nirgends könnt Ihr so vielfältig die feierliche Aufbahrung des Jahres erleben, Tag für Tag. Im Petrußtal Pappeln, Fichten, Ahorn, Weiden: Ein vierstimmiger Männerchor, der in Farben singt: Schön ist die Jugend, sie kommt nicht mehr! Die Ahornbäume sind rotgelb, wie Äpfel, die in der Sonne reiften, an den Pappeln zittern die Blätter wie Mandolinenklänge, ernst stehen die Fichten, als wollten sie sagen: Meine Nadeln sind nicht schön, aber dauerhaft. Und die graugrünen Weiden mit dem feinen, dunstigen Laub, erzählen von der Zeit, wie es von ihresgleichen im Petrußtal noch voll stand, wie ein Wald, wie das Gras kniehoch wucherte und über dem Gras sich weiße Blütendolden schaukelten und nach den hellen Sonnenflecken reckten, die wie Verheißungen im Schatten lagen.
Und der wilde Wein beblutet den viereckigen Kasten des Elektrizitätsgebäudes, leidenschaftlich, als wollte er nicht Wort haben, daß in dieser durch Schönheit und Vergangenheit geadelten Ecke sich in nüchternem Winkelmaß Zweckmäßigkeit hoch und breit macht.
Oder Ihr geht in den Park und winkt einen Abschiedsgruß der Hagebuche hinüber, die am Hang des Fort Olizy ihr Laub hat fallen lassen, daß es wie ein Röcklein rund um ihre Füße liegt. Oder Ihr geht .... ach, wo Ihr hingeht, ist es schön. Aber nicht jedes Jahr klingt die Symphonie des Lebens so harmonisch ab. Nicht immer sterben die Blätter ihres natürlichen Todes in einer bunten Apotheose, oft erwürgt sie ein früher Frost bei lebendigem Leib.
Der Tod ist nur schön, wenn er zu seiner Zeit kommt.