Daß Staat und Gemeinde als Wirtschafter Stümper sind, ergibt sich am deutlichsten daraus, daß sie nie zur richtigen Zeit und am richtigen Ort zu bauen wissen. Was bräuchten wir nicht alles an öffentlichen Gebäuden! Eine städtische Klinik, ein Justizgebäude, ein Museum, ein Theater, ein Seminar, eine Normalschule, eine gedeckte Markthalle usw. usw. Jahraus jahrein wird davon geredet, aber gebaut wird gar nichts. Einmal haben sie sich dazu aufgeschwungen, ein Mädchenlyzeum zu bauen, und heute sind sie darüber so erschrocken, daß es keiner will gewesen sein.
Inzwischen baut die Privatinitiative den beiden allerhand vor: Eine Theresienklinik mit allem Komfort der Neuzeit, ein Verwaltungsgebäude, auf das Stadt und Land stolz sind, ein Kino nach dem andern, eine Pôle Nord-Theater, das dem andern eine immer schärfere und hoffentlich heilsame Konkurrenz macht, von den pilzähnlich aus dem Boden wachsenden Privathäusern nicht zu reden.
Wenn die Privatinitiative baut, gehorcht sie in der Regel einem wirtschaftlichen Gesetz, wonach das Angebot mit der Nachfrage Schritt halten muß. Den „öffentlichen Faktoren“ ist die Nachfrage Wurscht. Wenn in der Post ein Schalter nicht genügt, so wird nicht ein zweiter Schalter aufgemacht, sondern das Publikum kann warten. Wenn in der Privatwirtschaft ein Saal von 100 Meter nicht mehr genügt, wird gleich einer von 200 gebaut. Die Privatwirtschaft rechnet wirtschaftlich, das dürfen Staat und Gemeinde nicht, sonst werden sie von der Spießbürgerei der Abenteurersucht beschuldigt.
Zurzeit sind hier zwei Neubauten im Fertigwerden, für die sich alle Welt interessiert. Überall hört man die Frage: Wann wird der Bonn, wann wird der Schulz mit seinem Bau fertig?
Auf den Bonn warten zweifellos viele heiratslustige Pärchen, die sich ihre Möbel erst kaufen wollen, wenn sich in dem neuen Riesenmagazin am Paradeplatz die ganze Pracht entfaltet und Herr Bonn aus lauter Freude über das Gelingen seines kühnen Unternehmens jedem Pärchen nach Wahl ein Sofa, einen Klubsessel oder einen Perserteppich in den Kauf geben wird.
Und auf die Vollendung der Stuff warten ganz sicher allerhand Vereine, die ihr Festessen in dem neuen Lokal veranstalten wollen. Ist Ihnen schon aufgefallen, daß diese zwei Unternehmen, die parallel aus dem Boden gewachsen sind, in einer eigenartigen Wechselbeziehung zu einander stehen? Das eine ist in seiner Anwendung auf den Haushalt zentripetal, das andre zentrifugal.
Vor den Schaufenstern bei Bonn träumen Tausende den Traum des hübschen, traulichen, eleganten Heims. Dort, für den behäbigen Laughing Buddha wüßten sie ein ideales Plätzchen, dort die Eßzimmermöbel würden in ihren Raum wunderbar passen, jener Salon wäre für ein geliebtes Weib oder die, die es werden soll, die wirkungsvollste Folie, dies Schlafzimmer usw. usw. Und die Korbmöbel! Und die Teppiche! Und die Nippes! .... Komm, Amalie, - ach nein, Otto, das bloße Ansehen kostet ja nichts! Und in ihren Herzen singt das Heimchen am Herd.
Dagegen bei Schulz! Dieser hat wohl gewußt, daß er besser kocht, als die meisten Hausfrauen daheim, und daß die meisten Ehemänner sich lieber zu ihm in Kost täten. Ja sogar, daß noch viel mehr Hausfrauen gar nichts dagegen hätten, wenn sie ihren Kochherd ausblasen, ihre Küche zuschließen und sich mit Mann und Kind in Kost geben könnten. Diese Zersetzung des Familienlebens durfte Herr Schulz nicht auf sich nehmen, und darum nannte er sein Lokal „Stuff“ und schuf damit die Fiktion, daß nun alle bei ihm in einer großen, gemeinsamen Familiestube zuhaus wären genau wie unter ihrem eigenem Dach. Er hat die ganze zentrifugale Tendenz eingefangen, herumgedreht, „milled“, wie die Cow-Boys von einer auf der Flucht aufgewickelten Rinderherde sagen, und ihr ein neues, größeres Zentrum geschaffen. Dies größere Zentrum, die erweiterte Stuff müssen Sie sehen: Die alte bleibt, aber dahinter tut sich ein weiter, heller Saal auf, mit Oberlicht, mit erhöhten Nischplätzen, wie ein Kirchenchor - das ist, was Sie als Gast sehen - aber drum herum ist ein Kosmos von Küchen, Kochküchen, Spülküchen, Putzküchen, Waschküchen, Trockenräumen, Geschirräumen, Maschinenräumen usw. Das alles sehen Sie nicht, Sie sitzen ruhig und komfortabel im Mittelpunkt dieses Betriebes und erleben als angenehmes Resultat Ihre vollen Schüsseln und Ihr volles Glas.
Wie gut, daß in Sachen „Stuff“ Herr August Schulz und nicht eine Regierung oder ein Stadtrat kompetent ist!