Original

31. Oktober 1925

Von dem Augenblick an, wo ein mißgünftiger Pedant perfider und puristischer Weise den Bubikopf Bubenkopf zu nennen anfing, war dieser zu einer Angelegenheit nicht nur der Mode, sondern beinahe der Lexikologie geworden.

Bubi ist ein Kosewort, schon fast ein Eigenname. Bubi ist der Stolz der Familie, der Inhaber der zwei Augen, auf denen das Geschlecht ruht, wie der Sprachgebrauch es grauenhaft ausdrückt. Bubi wird spielerisch und in Ermangelung eines Besseren oft auch ein Mädel genannt. Das Wort Bubi ist eine Liebkosung. Man kann sich denken, welches Labsal es für manche mir Liebkosungen nicht verwöhnte Frauen sein muß, wenn sie von ihrem Bubikopf sprechen hören.

Dem Bubi am nächsten steht der Bub. Bub ist etwas derber, aber immer noch wohlmeinend. Es klingt darin wie eine stolze Betonung des Gegensatzes zum Mädel. Ein Mädel muß schon ein Wildfang und Neißaus und Rolzbock sein, soll es gelegentlich als Bub angesprochen werden.

Wird aber dem Bub das Schluß-e wieder angehängt, wird daraus ein Bube, so bekommt das Wort gleich einen bösen Klang. Bube! ist ein Schimpfwort. Man kann es mit voyou übersetzen, wo Bub im schlimmsten Fall auf gamin hinauskommt. Der Unterschied bleibt auch in den Zusammensetzungen bestehen. Ein Lausbub ist ein harmloser Tunichtgut, ein Lausbube ist ein ehrloser Wicht. (Lausejunge steht zwischen beiden, aber dem zweiten am nächsten. Darum hüte dich, wenn du einem freundschaftlich und sympathisch einen Lausbub anhängen willst, ihn Lausejunge zu nennen.)

Aber nun kommt die Mehrzahl, die die Unterschiede verwischt, wie eine Überschwemmung die Ackerbreiten.

Bubi hat keine Mehrzahl. Auch darin tut sich das Wort als Eigenname kund.

Bub heißt in der Mehrzahl Buben, grade wie Bube. Da kann also allein die Meinung den Unterschied machen. Ein Bubenkopf kann heißen: Ein Kopf, wie ihn ein Bub hat, wie ihn ein Bube hat oder wie ihn die Buben haben. Bubenkopf ist also dreideutig, während Bubikopf eindeutig ist.

Der Erfinder der neuen Bezeichnung gedachte damit dem Bubikopf einen der zahlreichen Todesstöße zu versetzen, die gegen ihn gezückt wurden und werden. Der Mann beweist wenig Einsicht in die Dinge der Mode. Eine Haartracht wird aufgebracht und verdrängt nicht durch die Frauen, die ihre Trägerinnen sind, sondern durch die Friseure, die davon leben. Wer dem Bubikopf Ewigkeitsdauer prophezeit, kennt die Friseure schlecht. Sie haben nun seit Jahr und Tag Zöpfe und Flechten fuderweise abgeschnitten. Schönes Frauenhaar wurde früher mit Gold aufgewogen. Es hat von seinem Wert nichts eingebüßt. Die Friseure haben es nur aufgestapelt. Jetzt gilt es, dafür Verwertung zu finden. Die Puppenfabrikation ist nicht imstande, die Vorräte aufzubrauchen. Also muß eine Mode erfunden werden, die den Chignon wieder zu Ehren bringt.

Sie kommt, sie ist schon da.

Eine Dame, die eine glühende Anhängerin des Bubikopfes ist, sagte mir, für den Ballsaal habe er allerdings gewisse Nachteile. Seine Schattenseite ist der Nacken. Im Gewöhnlichen läßt sich der durch der Hut verstecken. Im Ballsaal aber bildet der nackte Hals mit dem mehr oder weniger männlichen Haaransatz einen unharmonischen Übergang zu dem wesentlich Weiblichen der nackten Schultern. Daran haben sich die Männer noch nicht gewohnt. Der Übergang muß ihnen erleichtert werden. Darum bringen die Friseure jetzt den Chignon in den Handel. Damit erreichen sie, daß alle die prachtvollen Flechten und Zöpfe, die sie der Damenwelt abgeschnitten haben, wieder nutzbringend in den Kreislauf der Wirtschaft gelangen, und daß das ewig Weibliche mit großen Raffinement seine Wirkungen dosieren kann.

Wir sind mit dem Bubikopf noch nicht am Ende.

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KatalognummerBW-AK-013-3021