Walzertraum! Wird es je einem Menschen einfallen, von einem Fox-Trott-Traum, einem ShimmyTraum und dergleichen zu reden?
Der Walzer ist eben nicht nur ein Tanz, er ist die Musikwerdung eines Ewigkeitswertes.
Von allen Rundtänzen ist er der rundeste, und rund ist ewig.
Die Teile eines Zweitakts stehen gegen einander über wie Feinde, die sich übertrumpfen und vernichten wollen, wo dann von keinem mehr was übrig bleibt und das Ganze sich in nichts verflüchtigt.
Der Dreitakt ist das Runde, Fortwirkende. Zwei stehen gegen eins, es ist eine Majorität vorhanden, eins kann immer von zweien überstimmt werden und die Bewegung schläft nie ein.
Die drehenden Walzertakte schrauben sich hoch, wie ein Flugzeug, immer rund, immer höher. Du wiegst dich, schwebst, fliegst, trägst und wirst getragen. Es ist ein ewiges, weiches Abschnellen und Ausschwingen, ein Streben und Schweben in Schönheit. Das Schweben, darin lag’s.
Und wie es aussah! Wie Sie, meine Damen, beim Walzertanz aussahen! Ich brauche keinen Wider- spruch zu fürchten, wenn ich behaupte, daß in fünfzig Prozent von allen Fällen der junge Mann sich in das junge Mädchen verliebte, während er sie Walzer tanzen sah. Das macht ihnen heute keine mehr nach, da kann alles Wackeln mit den Formen - was hatten Sie denn gemeint? - dem bestgewachsenen Girl nichts helfen. Wenn damals eine so an ihrer. Tänzer geschmiegt im Walzer durch den Saal drehte, dann flogen ihre Füßchen „umanand“ - ich sage und betone das Diminutiv - ach, wie flogen sie umanand! Wie Rosenblätter im Wind. Beflissen und hingerissen. Füßchen einer Geraubten, die sich mit Wonne rauben läßt. Das war Tempo, das war Pathos. Was tun Sie denn heute, meine Damen! Sie gehen mit Ihrem Tänzer vor- und rückwärts zu Fuß. Nicht immer, aber zumeist. Und Ihre Füßchen fliegen nicht mehr, niemand wird sich mehr in Ihre Tanzfüßchen verlieben, wenn er nicht triftigere Gründe hat. Wenn die Füßchen Ihrer Mütter übers Parket flogen, waren es die reinen Sechzehntelnoten, glockenhell und wirbelrasch. Ihre Füßchen sind halbe, manchmal ganze Noten, manchmal gar mit einer Fermate darüber. Der junge Mann, der Ihnen beim Tanzen zusieht, mag Sie mit den Blicken detaillieren, aber hingerissen, umeinandergewirbelt, berauscht, von Eifersucht gestachelt, weil Sie der andre im Arm hält und weil Sie an ihm hängen, wie der Efeu an der Eiche, - das alles wird er wohl nicht mehr. Ihr Tanzen ist nüchtern geworden, alkoholfrei.
Zwar so viele Kragen, wie wir damals beim Walzertanzen, werden unsre Söhne und Enkel bei ihren Steps nicht mehr verschwitzen. Aber sie werden auch nicht erleben, was ein rechter Walzertraum ist und war.
Oder doch?