Original

14. November 1925

Jagdgesetz, Jagd und Jäger haben in den letzten Wochen erhöhte Aktualität gewonnen. Und damit natürlich auch der Wilderer, französisch braconnier, luxemburgisch Bregunjer (Ton auf der vorletzten Silbe).

Wie so viele Spitzbuben stammt auch der Bregunjer von braven Leuten ab. Sein Urahn war der braconnier, der seinen Namen von den Braken hatte, die er führte. Von Brake, braque, kam braken, bracon und braconner, und der Führer der Hatz war der braconnier, deutsch Rüdemann oder Rüdemeister.

Im Französischen hat sich also der Bregunjer aus dem durchaus ehrenwerten und weidgerechten Beruf des Rüdemeisters heraus entwickelt, ohne übeln sprachlichen Beigeschmack. Im Deutschen dagegen heißt er Wilddieb, was nicht etwa räuberromantisch in wilder Dieb, sondern zuchtpolizeilich in Dieb des Wildes zu zerlegen ist.

Freilich, es soll Wilddiebe oder vielmehr Bregunjers geben, die man zwar Spitzbuben, aber weidmännische Spitzbuben nennen muß. Sie bejagen ihr Revier nach allen Regeln der Kunst und unterscheiden sich von dem Jagdpächter oft nur dadurch, daß sie nichts für die Jagd bezahlen, und daß sie besser schießen.

Aber diese Sorte wird immer seltener. Der Bregunjer wird immer mehr zum ganz gewöhnlichen Dieb des Wildes, das er so teuer wie möglich verkauft, meist an Hotelwirte, die es wiederum an ihre Kunden möglichst teuer verkaufen. Vom Standpunkt der Romantik ist dieser Wilddieb um kein Haar interessanter, als es der gewöhnliche Geschäftsmann wäre, der seine Waren zu stehlen pflegte, um desto rascher ein reicher Mann zu werden.

Der Bregunjer nach dem Herzen Sancti Huberti ist ein Jagdheger, der seinen Beruf verfehlt hat. Die Verwertung des Wildes ist ihm, wie dem wahren Weidmann, Rebensache. Was ihn lockt, ist die urmenschliche Gier nach Überlistung und Erbeutung des Wildes, das sein Leben im Geheimnis des Waldes, im Feld unter Gras und Kraut und Hecke führt und verbirgt. Dies ungebundene Spiel der Kräfte in der Weite der schrankenlosen Natur, der Dämon der Primitivität, der Reiz, der im Spannen und Losschnellen aller geistigen und physischen Sprungfedern liegt, die machen den wahren Bregunjer, den von der alten Schule, der sein Pustrohr in einem hohlen Baum oder im Uhrstock aufbewahrte und verächtlich von den „Stripperten“ sprach, die ihre Nächte mit Strickesetzen verbrachten. Wer aus ihm einen Jagdgehilfen, einen Förster machte, tat einen glücklichen Griff. Da war der Bregunjer auf seinem Platz. Da war ihm zur freudigen Pflicht gemacht, was früher lichtscheues Vergehen war. Zur Zeit unseres alten Großherzogs Adolf zeigten die Leute einem in Mittenwald allerhand musterhafte Forstgehilfen, die früher die gefürchtetsten Wilderer der Gegend waren. Das Wild hegen war ihnen Lebensinhalt, der Wald ihr Nachtquartier. Aus guten Bregunjers waren vortreffliche Jagdhüter geworden.

Aber die „guten“ Bregunjers sterben aus, seit das Wild so teuer ist - und seit die schlechten Bregunjers meist ihren Jagderlaubnisschein in der Tasche und eine eigene Jagd haben, von der aus sie den Nachbarn das Wild wegschießen können.

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    Katalognummer BW-AK-013-3032