Nach der Schnepfe ist der Igel unser liebstes Haustier. Nicht seines schmackhaften Fleisches wegen, da sei Gott vor! Ein Barbar, wer einen Igel schlachtet und verzehrt! Er riskiert, sich an einem verwunschenen Prinzen zu vergreifen. Aber wir lieben den Igel, weil er ein so origineller Kauz - beinahe hätte ich gesagt ein so origineller Mensch ist.
Es haben sich um den Igel allerhand Legenden gebildet. Er sei, heißt es, gegen jedes Gift gefeit, und wenn er Äpfel auf seinem Weg finde, so wälze er sich darüber, spieße sie mit seinen Stacheln auf und trage sie in seinen Bau. Ich habe nie einem Igel Strychnin gegeben und nie gesehen, daß einer Äpfel aufgespießt hätte. Aber der Igel bedarf eines solchen Renommees auch gar nicht, um trotzdem als eines der originellsten Mitglieder der europäischen Fauna gelten zu können.
Er ist zunächst in so prägnanter Weise das Sinnbild des passiven Widerstandes, daß wir Luxemburger ihn gradezu als Wappentier erkiesen sollten. Aktiven Widerstand können wir nicht leisten, aber wir strecken nach allen Seiten die Picken unsers Protestes hinaus, und meist hat es auf die Dauer bisher ja auch geholfen, unberufen!
Geht es dem Igel an den Kragen, so rollt er sich zur Kugel zusammen, mit den Stacheln nach außen. Indem er sich zusammenrollt, rollt er Welträtsel auf, An dieser stachlichen Kugel ist die Angriffsfläche überall und nirgends. Wie bei der Kugel ja überhaupt kein Anfang und kein Ende ist oder man sagen kann, Anfang und Ende sei überall. Viel mehr noch, als der Ring, verdiente die Kugel das Sinnbild der Ewigkeit zu sein. Der Igel aber geht mit seiner Kugelsymbolik auf nichts Geringeres, als den fatalen Apfel im Paradies zurück. Es ist kein Zufall, daß in der Bibel die Schlange mit einem Apfel operiert, ebensogut hätte sie an das erste Menschenpaar mit einer Banane, einer süßen Birne oder Feige oder einer Traube und dergleichen herantreten können. Aber der Apfel war die Kugel, und wer hineinbiß, vermaß sich, das Geheimnis der Ewigkeit und Unendlichkeit zu lüften.
Jenes folgenschweren Abenteuers eingedenk bedeutet uns heute der zusammengerollte Igel: Kinder, bleibt mir von der Kugel weg! Beißt Euch die Zähne nicht an Rätseln aus, die Euch ewig ungelöst bleiben müssen!
Ich liebe den Igel, weil er der Philosoph schlechthin ist. Er zieht sich auf sich selbst zurück, ist alles in einem: Festung, Besatzung, Umwallung, Bestückung. Jeder seiner Stacheln ist ein Aphorismus, ein Paradox, eine Abfuhr. Ich wette, er lacht stille in seinen Bauch hinein, wenn so ein dummer Hund sich an ihm die Schnauze blutig beißt.
Eine Dame meiner Bekanntschaft hat sich jüngst einen Igel schenken lassen. Sie erzählte es dem Colonel, der von seinem Lagerleben her über alle Tiere des Waldes und Feldes Bescheid weiß. Er gab ihr fachmännische Ratschläge, wie sie ihren Igel zu halten hätte, damit er zutraulich würde und sich im Haus als Insektenzerstörer nützlich machte.
Und dann, sagte er, als die Dame gehen wollte - und dann empfehle ich Ihnen, legen Sie den Igel Ihrem Herrn Gemahl nicht ins Bett!