Man kann der politisch am schärfsten zugespitzten Kammerdebatte auch mit heiter neutralem, politisch uninteressiertem Gemüt gegenüber stehen. Es gibt immer nach allerhand andern Richtungen Ausbeute genug.
Dieser Tage sagte Herr Biever: Die Arbeit mit dem Luftbohrhammer müßte in der Galerie verboten werden, weil vor dem betäubenden Geräusch die Arbeiter nicht hören, wenn der Berg drückt.
Wenn der Berg drückt: Das malt den ganzen Vorgang. Wie ja immer im Verhältnis eines Berufs zu seinem Objekt sich die Sprache durchsetzt, die das Dynamische am anschaulichsten malt. Der Bergbau ist, wie das Weidwerk, besonders reich an malerischen Fachausdrücken, aber von so unheimlicher Anschaulichteit, wie der drückende Berg, ist wohl keiner.
Jeder hat von den Gefahren gehört, die den Bergmann auf Schritt und Tritt umlauern. Wer zum ersten Mal einen Stollen durchwandert und sich die Möglichkeit eines Einbruchs vergegenwärtigt, denkt nur an das Nächste. das unmittelbar Greif- und Sichtbare, an einen winzigen Teil des Ganzen. Der Bergmann aber hat sich in die Vorstellung vom Ganzen hineingelebt. Alle die Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre hindurch, die er in schwerer Fron drunten verbringt, ist in ihm ein Bild gewachsen von etwas riesig Lebendigem, Feindlichem, das sich seiner Mühe tückisch grinsend entgegenstemmt, ihm auflauert, um in einem unbewachten Augenblick ihm den Garaus zu machen.
Das ist nicht der Block, den er mit der Hand berühren kann, den sein Pickel loswuchtet, es ist nicht das Gestein, das ihn im Weiteren umstarrt, es ist der Berg, der böse Rübezahl, der ihm nach dem Leben trachtet.
Was ist uns der Berg? Ein schwellender, aufatmender Aktord in der Symphonie der Landschaft. Eine befreiende Emporgetragenheit in reinere Luft, wo wir den Wolken, dem Himmel, der Sonne näher sind, wo wir hoch über dem Tag und seinen Wirrnissen stehen, über den Menschen und allem Kleinlichen, das sie bewegt, über den Ängsten der Erwerbsgier, über Schloten und Fabrikdächern, über Hütten und Schlössern, wo heimliche Pfade zwischen wehenden Farren und durch duftendes Gestrüpp im Waldesschatten lächelnden Zielen entgegen sich schlängeln, unter Buchen, Eichen und Tannen, wo du jubelnd hinaustrittst aus dem Dickicht in den Sonnentag, von fröhlichem Ruf und wehenden Tüchern aus dem Tal herauf gegrüßt, wo dein entzückter Blick in die Weite schweift, zu den verschwimmenden Fernen mit ihren blinkenden Dächern und ragenden Türmen.
Das ist uns der Berg, eine Wohltat, ein Geschenk des Himmels, eine Stufe zu Freiheit und Heiterkeit und Reinheit.
Und dem Bergmann, der in seinen Eingeweiden nach Erz gräbt? Dem ist er das lastend Feindselige, der heimtückische, hinterhältige Berg, der nur um eines Zentimeters Breite sich umzubetten braucht, so kommt über die arglosen Menschlein da drinnen die Katastrophe. Er überrascht, überfällt, zermalmt und zerknackt sie, daß man sie als blutige Klumpen hinausträgt.
Müßt Ihr nicht denken, wenn Ihr fortan auf unserer roten Erde über einen Bergrücken geht oder fahrt, daß Eure Last in der Lagerung des Gesteins unter Euch das winzige Gewicht sein könnte, das die Umlageruno uaslösen kann, daß der Berg zu drücken anfinge, und daß in der nächsten Sekunde tief unten der Tod seine Ernte hielte!