Unsre meisten Sprichwörter sind auf ländlicher Erde und aus ländlichem Anschauungskreis gewachsen. Sie treffen heute oft nur die Ausnahme, wo sie früher die Regel trasen, aber in ihrer destigen Art ist immer etwas, das Reise des Denkens und Schärfe, der Beobachtung verrät. Im Arsenal der Rede werden sie darum auch heute noch ungern vermißt.
Eben hörte ich auf dem Markt eine Gärtnerin zu ihrem Mann sagen: „Göff dem Jong e Steiwer a geh selwer.“
Das hat der Bauer durch Jahrhunderte an sich erfahren, daß er auf sich gestellt sein muß. Seine Arbeit ist so, daß sie mit dem festen Willen zum Ziel getan werden muß, nicht nur, damit einer sie sich nur so grade vom Hals schafft. Wenn ein papierner Taglöhner eine Aktenseite abschreibt, ist sie abgeschrieben, ob er ganz, halb oder dreiviertels bei der Sache war. Ein gepflügter Acker aber kann gut oder schlecht gepflügt sein. Für die geschriebene Seite bekommt der Schreiber seinen Lohn, der Acker aber bezahlt nur, wenn er wirklich gut gepflügt war. Wer einen Weinberg von fremden Leuten muß „machen“ lassen, erfährt oft genug, daß sie das normale Quantum Schwefel und Vitriol verspritzt und die aufgerechnete Zahl von Arbeitstunden wirklich geleistet haben, und daß trotzdem der Weinberg neben den andern erbärmlich aussieht. Ohne Lust und Liebe kein Segen.
Der erste Bauer, den es in der Weltgeschichte gab, mußte seine ganze Arbeit selbst verrichten. Er war so nahe an der Ursprünglichkeit, an der Natur, daß er direkt vom Boden in den Mund lebte. Wer an die städtische Vargeldwirtschaft gewöhnt ist, dem wird manchmal unheimlich, wenn er Zeuge ist, wie im Niedergang des Jahres noch heute da draußen so viele ihren Winterbedarf einscheuern, von dem sie bis zur nächsten Ernte leben müssen, sozusagen direkt an den Motor gekuppelt, ohne den Akkumulator des Bargeldes.
In dem Maß, wie in der Wirtschaft die Zellenteilung kam und zur Industrialisierung führte, wurde es unmöglich, daß der Einzelne durch eigene Arbeit seine Stelle ausfüllte. Das Sprichwort verlor seine Geltung. Der Junge, der den Stüber bekam, mußte auch gehen. Die Fähigkeit und Lust zur Eigenarbeit genügten nicht mehr, wer im komplizierten Umtrieb des Lebens oben bleiben wollte, mußte außerdem den nötigen Scharfsinn in der Auswahl derer entwickeln, die ihm einen Teil der Arbeit abnahmen.
Und über der Arbeit der Massen wurde die Arbeit der Führer.
So wuchs das Gesetz der sozialen Schichtung aus der Entwicklung des Menschengeschlechts und wird mit ihm dauern.
Das Sprichwort heißt heute: Gib dem Jungen einen Stüber, aber sieh zu, daß es der richtige Junge ist!