Original

1. Dezember 1925

Unser nationales Solidaritätsgefühl wird im Ablauf des Jahres regelmäßig durch die Witterung angeregt.

Fallen Spätfröste ein, so sorgt sich das ganze Land um die Mosel, und die Frage geht um, ob es den Weinbergen nicht an den Kragen ging. Jagt der West tagelang Flockengewimmel übers Land, so hört man geläufig: Jetzt sieht es im Ösling übel aus.

Aber das Ösling kann zum Glück aus der Not eine Tugend machen. Wo Schnee und Berg sind, finden ich die Vorbedingungeu zum Wintersport. Mit Davos kann Heinerscheid nicht konkurrieren, aber sollte es nicht genug Glückliche in unserm Ländchen geben, die mit Rodel und Ski Bescheid wissen und nun im Ösling dem Wintersport allerhand Stätten eröffnen könnten?

Das Wasser ist das Sport-Element par excellence. In flüssigem und festem Zustand. Flüssig lockt es zu Fischfang, Schwimmen, Segeln, als Eis zum Schlittschuhlausen, als Schnee zum Rodeln und Skisport.

Wie im Sommer das Ösling im Zeichen der Sportangel steht, so könnte es jetzt im Zeichen des Rodels und des Ski stehen. An den Hängen, an denen sich der Jäger und Lohschleißer und Fischer abkeucht, könnten jetzt die bunten Gestalten sausen, die wir von den Bildern aus den schweizer und oberbayrischen Wintersportplätzen kennen.

Der Davoser hat sich in den letzten Jahrzehnten hier rasch und umfassend eingebürgert, die Skier sind ihm trotz der relativen Gunst der Verhältnisse nicht gefolgt. Doch, vor zirka zwanzig Jahren wurde vom Luxemburger Veloce-Club aus ein schüchterner Versuch damit gemacht. Die Seele dieses ersten und ältesten, immer noch blühenden Sportvereins war schon damals Herr Henry Baclesse, der von einem längeren Aufenthalt in England den Sinn für alle Zweige der physical culture mitgebracht hatte. Wie er im Radsahren seinen Klubbrüdern den richtigen Sportgeist anerzog, so gab er auch die Anregung zum Rudern und Skilaufen. Leider blieb es beim ersten Anlauf, wohl weil für beide Übungen das Feld räumlich zu weit entfernt lag und die meisten Klubmitglieder nicht in der Lage waren, die nötigen Aufwendungen zu machen. Indes werden sich einzelne Mitbürger noch erinnern, wie verschiedene fervente Sportjünger damals unverdrossen die Spuren ihrer Skier durch den beschneiten Stadtpark zogen.

Heute scheint es, als ob im Land verstreut schon genug Skiläufer lebten, um einen Klub zu bilden. Aus Clerf telephoniert man, daß an die fünfundzwanzig Anhänger dieses seltenen Fortbewegungsmittels dieser Tage dort herum in die Erscheinung traten. Wer also mit seinen Hölzern die Fahrt hinauf wagen will, weiß, daß er dort Genossen und wahrscheinlich auch Genossinnen finden wird. Und die Geselligkeit ist dabei doch auch nicht zu unterschätzen. Ebensowenig, wie die Verpflegung. Denn wenn man sich zwischen Sonnenaufund Sonnenuntergang bergauf und bergab tüchtig abgepustet hat, ist es eine Wollust, im warmen Gastzimmer mit Genossen der erlebten Freuden zusammenzusitzen, bis die Stunde zur Heimfahrt gekommen ist, und je komfortabler die Gaststube ist, desto schöner wird der Ausklang des lustigen Tags.

Da steht nun bekanntlich das Ösling seinen Mann. In Clerf, in Wilwerwiltz, in Vianden, in Wiltz, in Hosingen, in Bauschleiden, in Bondorf, in Martelingen usw., überall am Schienenweg und an der Landstraße entlang stehen die rühmlichst bekannten Stätten, in denen es gut einkehren ist.

Und so wird es hoffentlich nicht lange danern, bis die Morgenzüge an den öslinger Bahnstationen bei Schneewetter die Rodler und Skier ebenso zahlreich ausgießen, wie im Sommer die Angler. Und bis die öslinger Berge erstaunte und verblüfft? Zeugen des ersten Telemarkschwunges werden.

Wenn nur das Barometer nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht und den Schnee in Wasser wandelt, sonst müssen wir unser Interesse wieder einmal von Nord nach Südost umstellen und der armen Moselaner gedenken, die vor der steigenden Flut in den ersten Stock flüchten müssen.

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    Katalognummer BW-AK-013-3046