Original

12. Dezember 1925

Sie kennen die Fabel vom Bären und der Fliege.

Dieser Bär geht um.

Er geht in zahlreichen Exemplaren um.

Er ist der Mann, der Frieden stiften will, den richtigen Frieden, der die Welt umspannen und ewig dauern soll. Er trägt in der Hand den Stein, den er nach der Fliege schmeißt, die den Frieden stört.

Leider sitzt die Fliege dem Frieden mitten im Gesicht und den Rest kann man sich denken.

Der Verlag Reimar Hobbing, Berlin SW. 6, bringt ein Buch von dem Franzosen G. Demartial heraus. Es heißt: Die Mobilmachung der Gewissen. Autorisierte Übersetzung von Gräfin H. Harrach. 266 Seiten Großoktan. Preis kartoniert Rm. 8.

Diesem Buch liegt folgende Empfehlung bei:

„Der Abschluß des von den europäischen Staatsmännern in Locarno vorbereiteten Werkes der europäischen Verständigung ist in London soeben erfolgt. Soll aus diesem Paragraphenwerk der Juristen und Politiker wirklich Friede und der neue Geist des Friedens, den wir alle ersehnen, entstehen, dann müssen auch die Völker zueinander sprechen können mit einer Sprache, die sie alle verstehen. Die Völkerverhetzung, die Kriegspsychose - wohl die unseligste Waffe des Weltkrieges - muß endgültig aufgehoben werden. Die Lügen über Deutschland, die während des Weltkrieges und noch Jahre hinterher von den Kabeln Reuters und Havas hemmungslos verbreitet werden konnten, müssen verstummen.

„Zur Verbreitung der Wahreit, zum Kampf gegen die Schuldlüge und gegen die lügenhafte Vorstellung von Deutschland als einem moralisch und kulturell tiefer stehenden Volke, müssen vor allem mutige Männer des ehemals feindlichen Auslandes, vor allem Frankreichs, dessen Haß am tiefsten war, vor die Schranken treten und der Welt ins Gewissen reden; denn nur so wird Friede auf Erden werden können und das Weihnachtsevangelium wieder allen Deutschen verständlich von den Kanzeln Europas verlesen werden können.

„Wir dürfen hoffen, daß der Weg zu diesem großen Werke geebnet ist. Eine kleine tapfere Schar von Wahrheitskämpfern hat es bereits während des Krieges selbst in Frankreich gegeben. Einer ihrer Führer ist G. Demartial. Mit bewundernswertem Mute hat dieser Apostel der Wahrheit während des Krieges als Abteilungsleiter im französischen Kriegsministerium - also von einer Zentralstelle der europäischen Brunnenvergiftung - gegen die unmoralische Lüge anzukämpfen versucht, wo er nur konnte. In wahrhaft grandioser Weise hat er hernach das Lügengewebe der Entente in einem packend geschriebenen Buche, dem er den bezeichnenden Titel: „Die Mobilmachung der Gewissen“ gegeben hat, zerrissen. Wir müssen es deshalb mit besonderer Freude begrüßen, daß im Verlag von Reimar Hobbing, Berlin SW. 61, soeben eine autorisierte deutsche Übersetzung erschienen ist.

„Das Buch ist gerade wegen Locarno und gerade jetzt, wo Weihnachten, das Fest des Friedens, vor der Türe steht, eine der wichtigsten und erfreulichsten deutschen Neuerscheinungen, deren weiteste Verbreitung dringend zu wünschen ist.“

Man liest und ist verblüfft.

Also Frieden will man stiften und tritt auf den Plan und schimpft aus vollen Backen diejenigen Lügner, mit denen man sich wieder vertragen will!

Wäre es nicht endlich an der Zeit, daß man die Toten ruhen und Vergangenes vergessen sein ließe? Glaubt man wirklich dem Frieden zu dienen, indem man rechthaberisch in den Retroakten wühlt und dem Gegner postnumerando jeden vermeintlichen Fehler ankreidet? Wenn Deutschland darum zu tun ist, in die europäische Friedensgemeinschaft ohne Mißtrauen aufgenommen zu werden, so kommt es wahrhaftig nicht darauf an, daß es den von ihm vor die Tür gesetzten Mohren hinterher weiß wasche, sondern darauf, daß das neue Deutschland in einem neuen Europa an dem Bau der Friedensära sich ohne Hintergedanken beteilige. Sobald ihm die Völker den Willen hierzu glauben, hat die Vergangenheit nur noch geschichtliches Interesse und kann als Störenfried kein Unheil mehr anrichten.

Wer wirklich den Friedenswillen hat, den wahren, den einzigen, den wirkenden, der muß mit dem Vergessen anfangen und darf nicht immerfort Bücher und Zeitungsartikel schreiben, die Öl ins Feuer gießen.

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    Katalognummer BW-AK-013-3056