Ich komme mir vor, wie ein Hausgiebel oder ein Dachfirst an einer Straßenecke in Brüssel, Place de Brouckère, oder in Paris, Opernplatz, oder sonstwo an einem großen Verkehrsknotenpunkt, und als sollte ich in einer pompösen Lichtreklame ... Doch greifen wir nicht vor.
Es war so: Drei Grazien traten an mich heran, sozusagen um den Dachsirst zu beschlagnahmen und zu obgenannter Lichtrellame zu verwenden. Nicht für ein neues Zahnwasser oder Hühnerangenmittel, sondern für den „Bal des Arquebusiers“ vom nächsten Samstag. Nicht Schießball und nicht Schützenvall, sondern Ball der Arlebusiere, der Armbrustschützen Das gibt der Sache eine Halbjahrtausendpatina. Wie bitte? Aber sicher, über ein halbes Jahrtausend sind sie alt, die Luxemburger Arkebusiere. Schon um 1400 herum oder wenig später strichen sie mit Schwer: und Armbrust um die Stadtmauern, unter Wenzel dem Faulen und Jost von Mähren, und ihre Bolzen verscheuchten Feinde und Übeltüter. Die haben es sich gewiß nicht träumen lassen, daß 520 Jahre später ihre Nachkommen, Männlein und Weiblein, in einem Prachtbau auf dem Platz, den damals noch ein Bach durchquerte, daß sie am Samstag 15. Dezember 1925 noch immer unter demselben Schutzpatron, dem Heiligen Sebastian, und demselben Namen Foxtrott tanzen und Champagner trinten und köstliche Leckerbissen aus der Küche eines Mannes namens Brimmeyer dazu essen würden. Und daß ach wie mancher Urururenkel der Armbrustschutzen aus der Zeit des faulen Wenzel an einem kalten Dezembermorgen 1925 heimgehen würde als Ebenbild des Schützenschutzpatrons, über und über gespickt mit Pfeilen, wie Sankt Sebastianus, aber mit Pfeilen aus dem Köcher eines kleinen, nur mit zwei Flügeln bekleideten Schwerenöters.
Und weiter vermeldet die Lichtreklame hoch von obgenanntem Dachfirst und Hausgiebel, daß dieser Bal des Arquebusiers ganz besondere Genüsse verspricht, insofern er das Gepräge der guten alten braven Luxemburger Bälle tragen wird, wie sie den Stadtbürgern noch aus den Zeiten des Lentze Jang und des alten Cercle in der Erinnerung geblieben sind. Der Reiz dieser Bälle bestand darin, daß um den Tanzsaal herum Tische standen, an denen man sich für den ganzen Abend ansiedeln und dem Tanz zusehen oder sich vom Tanz ausruhen konnte. Im neuen Cerclesaal war bisher die einzige Sitzgelegenheit der Drachenfels. Wer dem Tanz als passiver Schlachtenbummler zusehen wollte, mußte von seinem Tisch in der Halle oder in einem der Nebensäle aufspringen und sich in die Türe drängen, sich an den Wänden entlang drücken. Das wird am Samstag anders. Jeder kann sich drinnen einen Tisch sichern und so wie von ruhigem Hafen aus, mit Proviant reichlich versehen, den Festtrubel an sich vorbeirauschen lassen.
Solches und noch anderes Schöne sagten die drei Grazien von dem Bal des Arquebusiers. Und es läßt erkennen, daß die Jugend diesmal nicht nur an sich gedacht hat, sondern auch den älteren Jahrgängen entgegenkommen wollte, den Vätern und Onkeln und allen, die man unter dem Worte „Duuscht“ zusammenfaßt.
Also mögen auch sie ihre Pflicht tun und zeigen, daß die Reserve ihren Mann steht, wenn die Jugend an sie appelliert.